Bislang setzt Russland in seinem Angriffskrieg mehr Drohnen mit grosser Reichweite ein als die Ukraine. Doch ukrainische Tüftler haben etwas entwickelt, das eine wichtige russische Stadt treffen kann. Derweil warnt Deutschlands Verteidigungsminister vor einer möglichen Ausweitung des Krieges.
Die russischen Bodentruppen verstärken nach Kiewer Militärangaben ihre Angriffe an den Fronten im Osten und Süden der Ukraine wieder. Laut Lagebericht des ukrainischen Generalstabs gab es am Donnerstag 114 versuchte Angriffe an acht Frontabschnitten - deutlich mehr als zuletzt. Diesen Angaben nach wurden die Angriffe abgewehrt. Das war aber nicht unabhängig überprüfbar. Das russische Militär nahm für sich in Anspruch, ein Dorf im ostukrainischen Gebiet Donezk erobert zu haben.
In der Nacht auf Freitag blieb es am Himmel über der Ukraine zunächst ruhig. Die ukrainische Luftwaffe verzeichnete keine der sonst üblichen Angriffe russischer Kampfdrohnen. Die Ukraine teilte mit, dass eine neu entwickelte eigene Drohne in der Nacht zuvor den Hafen der nordrussischen Metropole St. Petersburg erreicht habe.
Die Ukraine wehrt seit fast 23 Monaten eine grossangelegte russische Invasion ab; am Freitag ist der 695. Tag des Krieges. Eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses in der Luft erhofft sich der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba von den Kampfjets F-16, die noch in diesem Jahr die Luftwaffe verstärken sollen. Vor einer möglichen Ausweitung des Ukraine-Kriegs warnte Bundesverteidigungsminister
Intensive Bodenkämpfe in der Ukraine
Die Gefechte am Boden nahmen an Intensität wieder zu, wie der Bericht des ukrainischen Generalstabs für Donnerstag belegt. Am heftigsten rannten die russischen Truppen demnach wieder gegen die Frontstadt Awdijiwka an. In und um die Stadt dicht beim russisch beherrschten Donezk wurden 36 Gefechte verzeichnet. Die russische Armee versucht seit Oktober, die ukrainischen Verteidiger einzukesseln. Sie erlitt dabei hohe Verluste an Soldaten und Material.
Weiter nördlich besetzte das russische Militär eigenen Angaben zufolge das Dorf Wesjoloje im Gebiet Donezk. Der Ort sei unter Kontrolle, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Der Bericht des ukrainischen Generalstabs machte keine Angaben dazu. Schwere Gefechte wurden auch von den Frontabschnitten Kupjansk, Lyman, Marjinka und vom ukrainischen Brückenkopf am Südufer des Dnipro gemeldet. Ausserdem lagen viele Dörfer und Städte in Frontnähe unter russischem Artilleriebeschuss, wie der Generalstab mitteilte.
Artillerie und Marschflugkörper aus Frankreich
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte nach eigenen Angaben Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in einem Telefonat für zugesagte Rüstungshilfe.
Neben den Haubitzen Caesar soll die Ukraine von Frankreich rund 40 weitere Marschflugkörper vom Typ Scalp sowie Hunderte Luft-Boden-Raketen des Typs A2SM erhalten, wie Verteidigungsminister Sébastian Lecornu in Paris ankündigte. Der zugeschaltete ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow sagte, dass eine Stärkung der Artillerie ein Kernpunkt sei, um den Krieg für die Ukraine zu entscheiden. Es fehle an Munition.
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Ukrainische Drohne fliegt bis St. Petersburg
Die Ukraine setzte eigenen Angaben nach erfolgreich eine Drohne bei der nordrussischen Grossstadt St. Petersburg ein. "Ja, diese Nacht haben wir ein Ziel getroffen, und diese Drohne flog genau 1250 Kilometer", sagte Industrieminister Olexander Kamyschin beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz.
Die verwendete Drohne sei in der Ukraine produziert worden und habe umgerechnet etwas mehr als 320 Euro gekostet. Ukrainische Medien berichteten unter Berufung auf den Militärgeheimdienst von einem Angriff auf ein Treibstofflager im Hafen der Millionenstadt. Russischen Angaben zufolge wurden drei Drohnen abgefangen. Schäden habe es nicht gegeben.
Aussenminister erwartet bald F-16 in der Ukraine
Die Vorbereitungen der Ukraine auf den Einsatz der Kampfjets des US-Typs F-16 laufen nach Angaben von Aussenminister Dmytro Kuleba nach Plan. "Die Piloten bereiten sich vor. Die Ingenieure bereiten sich vor. Die Infrastruktur wird vorbereitet", sagte Kuleba im Fernsehen. Alle Länder, die der Ukraine Jets zur Verfügung stellen wollten, kämen ihren Verpflichtungen nach.
"Ich denke, dass wir in diesem Jahr die ersten F-16-Luftsiege in der Ukraine erringen werden", sagte der Minister. Für sein Land habe es Priorität in diesem Jahr, die Luftüberlegenheit über Russland zu erlangen. Bislang fehlt es der Ukraine an Flugzeugen, um russische Jets zu bekämpfen. Die Niederlande und Dänemark wollen Dutzende F-16-Kampfjets abgeben.
Ukrainische Wirtschaft gewachsen
Die Wirtschaft der Ukraine wuchs nach Selenskyjs Angaben im vergangenen Jahr trotz der russischen Invasion um fünf Prozent im Vergleich zu 2022. Im selben Masse seien auch die Steuereinnahmen gestiegen, sagte der Staatschef in seiner Videoansprache.
Ein ukrainisches Wirtschaftswachstum um die fünf Prozent war auch von der Europäischen Union erwartet worden. Es ist ein Erholungseffekt, nachdem die ukrainische Wirtschaft 2022 im ersten Jahr des Krieges um fast 30 Prozent geschrumpft war.
Pistorius schliesst russischen Angriff auf Nato nicht aus
Verteidigungsminister Pistorius warnte vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges. "Wir hören fast jeden Tag Drohungen aus dem Kreml - zuletzt wieder gegen unsere Freunde im Baltikum", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel". "Wir müssen also einkalkulieren, dass Wladimir Putin eines Tages sogar ein Nato-Land angreift."
Aktuell halte er einen russischen Angriff nicht für wahrscheinlich. "Unsere Experten rechnen mit einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren, in denen das möglich sein könnte." Er wolle mit seiner Warnung oder seiner Forderung, dass die Bundeswehr "kriegstüchtig" werden müsse, "unsere Gesellschaft damit auch wachrütteln".
Dafür müssten jetzt Vorkehrungen getroffen werden. Pistorius hatte bereits eine modifizierte Wehrpflicht ins Gespräch gebracht, für die er aus seinem Ministerium Vorschläge bis April erwartet.
Am Donnerstag hatte US-General Christopher Cavoli ein Grossmanöver mit rund 90.000 Soldaten zur Abschreckung Russlands ab Februar angekündigt. Die rund vier Monate dauernde Übung soll die grösste des Verteidigungsbündnisses seit Jahrzehnten sein.
Das wird am Freitag wichtig
Das ukrainische Militär rechnet damit, dass die russischen Truppen ihre Angriffe an verschiedenen Frontabschnitten fortsetzen. (dpa/fte)
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