- Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Andrij Melnyk entlassen.
- Über den Schritt war zuvor in vielen Medien spekuliert worden.
- Der Botschafter in Deutschland war wegen Äusserungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera in die Kritik geraten.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk muss seinen Posten in Deutschland räumen. Präsident
Ob Melnyk nach seiner Entlassung als Botschafter für ein anderes hochrangiges Amt in Kiew oder anderswo vorgesehen ist, blieb zunächst offen. Die ukrainische Botschaft in Berlin wollte das Dekret nicht kommentieren. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes teilte auf Anfrage mit: "Gegenüber dem Auswärtigen Amt wurde eine Abberufung des Botschafters bislang nicht notifiziert."
Melnyk hatte sich nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine als scharfer Kritiker der Bundesregierung einen Namen gemacht. Immer wieder prangerte er insbesondere die deutsche Russland-Politik an. Zuletzt aber geriet der 46-Jährige selbst massiv in die Kritik wegen Äusserungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera.
Die «Bild» und die «Süddeutsche Zeitung» hatten vor wenigen Tagen unter Berufung auf ukrainische Quellen berichtet, Melnyk solle abberufen werden und ins Aussenministerium nach Kiew wechseln. Noch im Herbst könnte er stellvertretender Aussenminister werden, schrieb die "Bild".
Melnyk war seit Januar 2015 Botschafter in Deutschland - eine aussergewöhnlich lange Zeit für einen Diplomaten auf einem Posten. Auch Kommentatoren in Kiew sagten am Samstag, dass dies etwa das Doppelte der üblichen Entsendungszeit gewesen sei.
Harsche Kritik an Olaf Scholz
Der Diplomat hatte in den vergangenen Monaten mit seiner scharfen Kritik auch an Kanzler
Vergangene Woche geriet er dann wegen seiner Äusserungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera selbst massiv in die Kritik. Bandera war während des Zweiten Weltkriegs Anführer des radikalen Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Nationalistische Partisanen aus dem Westen der Ukraine waren 1943 für ethnisch motivierte Vertreibungen verantwortlich, bei denen Zehntausende polnische und jüdische Zivilisten ermordet wurden.
Melnyk bestritt in einem Interview mit dem Journalisten Tilo Jung, dass Bandera ein Massenmörder von Juden und Polen gewesen sei. Der Nationalist sei gezielt von der Sowjetunion dämonisiert worden. Die israelische Botschaft hatte dem Botschafter daraufhin «eine Verzerrung der historischen Tatsachen, eine Verharmlosung des Holocausts und eine Beleidigung derer, die von Bandera und seinen Leuten ermordet wurden» vorgeworfen.
Der sonst so schlagfertige Melnyk hatte anschliessend tagelang nichts dazu gesagt, reagierte dann aber am Dienstag mit einem Tweet auf die Vorwürfe. Seine Worte adressierte er ausdrücklich auch an die "lieben jüdischen Mitbürger".
Melnyk: Verurteile Holocaust aufs Schärfste
Melnyk sprach von absurden Vorwürfen, die er entschieden zurückweise. "Jeder, der mich kennt, weiss: immer habe ich den Holocaust auf das Schärfste verurteilt." Die Nazi-Verbrechen des Holocaust seien eine gemeinsame Tragödie der Ukraine und Israels.
Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zollte Melnyk nach Bekanntwerden seiner Abberufung Respekt. "Andrij Melnyk hat sich mit voller Kraft für sein Land eingesetzt. Er ist eine unüberhörbare und unermüdliche Stimme für eine freie Ukraine", erklärte die Grünen-Politikerin, betonte aber, dass sie sich mit Blick auf die Person Bandera nicht einig mit Melnyk sei. "Unabhängig davon wünsche ich ihm alles Beste für ihn persönlich, für seinen künftigen Dienst und vor allem für sein Land."
Melnyk hatte zuletzt Fehler in seiner Kommunikation eingeräumt. Er könne Kritik an seiner Person verstehen, sagte er der "Schwäbischen Zeitung". "Wir sind alle Menschen und man macht Fehler. Man versucht auch, diese Fehler zu korrigieren und aus ihnen zu lernen. Viele emotionale Aussagen bedauere ich im Nachhinein." Das Interview veröffentlichte die ukrainische Botschaft in Berlin am Freitag auf ihrer Homepage.
Mit Blick auf den russischen Angriff auf sein Land sagte Melnyk: "Mein Beruf hier in Deutschland als Diplomat wird politisch. (...) Auch wenn ich das nicht möchte." Seine Aufgabe sei es, "dass man hier in Deutschland versteht, was der blutigste Krieg auf unserem Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg bedeutet."
(dpa/mgb/br)
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