Der ukrainische Präsident hofft mit dem Vorrücken auf russischem Gebiet in Kursk einen Verhandlungspfand zu bekommen. Doch Kremlchef Putin will unter Druck nicht reden.

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Wladimir Putin will angesichts der ukrainischen Gegenoffensive auf russischem Gebiet nicht mit Kiew verhandeln. "Der Präsident hat sehr deutlich gesagt, dass nachdem die Angriffe, genauer gesagt die Invasion im Gebiet Kursk begonnen hat, von Verhandlungen keine Rede sein kann", sagte Russlands Aussenminister Sergej Lawrow am Rande von Putins Besuch in Aserbaidschan im russischen Staatsfernsehen. Putin werde zudem in Kürze eine Einschätzung der Lage geben, kündigte Lawrow an.

Berichte über Kontakte zwischen den Kriegsparteien, die von Mittlern wie Katar oder der Türkei hergestellt worden seien, seien nichts weiter als Gerüchte, erklärte Lawrow weiter. Aktuell wäre es "völlig unangebracht, in einen Verhandlungsprozess einzutreten", sagte Kremlberater Juri Uschakow am Montag im Onlinedienst Telegram. "Angesichts dieser Eskapade werden wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht reden."

Selenskyj will Druck ausüben

Die ukrainische Armee hatte am 6. August überraschend einen Vorstoss in die Region Kursk unternommen und kontrolliert seitdem Teile des Gebiets. Erstmals hat Kiew damit den Krieg auf das Gebiet des Gegners verlagert. Russland hält dabei weiterhin grosse Teile im Osten und Süden der Ukraine besetzt.

Laut dem ukrainischen Präsidenten soll durch die Offensive der Druck auf Russland im Hinblick auf Friedensverhandlungen erhöht und eine Pufferzone geschaffen werden. Bereits zuvor hatte Wolodymyr Selenskyj den vollständigen Rückzug der russischen Armee von ukrainischem Staatsgebiet - einschliesslich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim - zur Bedingung für Verhandlungen gemacht. Dagegen fordert Putin den Rückzug der Ukraine aus vier von Russland besetzten Gebieten der Ukraine sowie den Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft.

Anspannung in Russland nach Kursk-Offensive

Das derzeitige Schweigen des russischen Präsidenten zur Krise des eigenen Militärs ist keine neue Erscheinung. Auch bei vorherigen Niederlagen der russischen Armee hat sich der Kremlchef erst nach längerer Pause und teilweise nach dem Aussitzen der Krise zu Wort gemeldet.

Unterdessen gab Selenskyj an, dass die Soldaten in Kursk "unsere Ziele erreichen". In Bezug auf die Gefangennahme russischer Soldaten erklärte der Präsident, "heute morgen haben wir eine weitere Auffüllung des Austauschfonds für unser Land" erreicht.

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In den vergangenen Tagen zerstörte die Ukraine zwei wichtige Brücken über den russischen Fluss Sejm, um Moskaus Nachschubwege in die Kampfzone zu unterbrechen. Eine dritte Brücke über den Sejm sei am Wochenende angegriffen worden, erklärte ein russischer Militärermittler in einem Video, das der kremlfreundliche TV-Kommentator Wladimir Solowjew veröffentlichte.

Das ukrainische Eindringen sorgt die Russen spürbar. Bei einigen in Kiew löst das Hoffnungen aus, dass sich die Stimmung im Land gegen den mehr als zwei Jahre währenden Krieg des Kremls drehen könnte. "Die Russen, die daran gewöhnt sind, den Krieg als Fernsehsendung zu sehen, erleben ihn jetzt hautnah", erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak im Onlinedienst X. (dpa/afp/bearbeitet von ng)

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