• Die Rakete "Zirkon" gilt als schwierig abzuwehren. Deshalb sollte man aber nicht in Panik verfallen.
  • Die Ökonomie muss im Krieg immer mitgedacht werden.
  • Die Veröffentlichung des Videos ist ein Propagandaschlag, den Putin braucht, um die Moral der russischen Truppen zu stärken.

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Kürzlich ging ein Video durch die Medien, das den Testflug einer angeblich neuen Rakete Russlands zeigen sollte. Sie soll achtfache Überschallgeschwindigkeit erreichen und jetzt in Dienst gestellt werden. Die Rakete, "Zirkon" genannt, soll für die Raketenabwehrsysteme, die die Ukraine und auch die westlichen Staaten benutzen, nicht abzuwehren sein.

So propagiert es der Kreml schon seit langem. Zwei Militär- bzw. Waffenexperten erklären im Gespräch mit unserer Redaktion, dass es sich bei dem Video um Propaganda handelt, die nichts mit militärischer Stärke zu tun hat. Viel mehr fragen sie: Was führt uns Putin hier vor?

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"Zirkon": Antriebstechnik wurde schon von den Nazis erprobt

Der Münchner Politikwissenschaftler Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr erklärt, die "Zirkon" beruhe auf einem sogenannten "Staustrahltriebwerk". Diese Antriebstechnik wurde schon von den Nazis erprobt. Zuerst beschleunigt die Rakete mit einem speziellen und sogenannten "Feststoffraketentriebwerk". Dieser Antrieb wird während des Fluges abgesprengt, wenn eine gewisse Geschwindigkeit erreicht ist.

Durch das besondere Design strömt mit hohem Druck Luft in die Rakete, wo sie mit dem Treibstoff vermischt und gezündet wird, was die besonders hohe Geschwindigkeit ermöglicht. Die genauen Details des Waffensystems sind nicht bekannt. Die Rakete gelte als Anti-Schiffs-Rakete und soll über eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern verfügen. Im Januar 2023 wurde die Rakete offiziell in Dienst gestellt.

Jedoch war schon 2019 die Rede davon, dass die Einführung der "Zirkon"-Rakete unmittelbar bevorstehe. Ihre extrem hohe Geschwindigkeit macht sie für Raketenabwehrsysteme zu einem schwierigen Ziel. Sauer sagt: "Generell gilt: Je höher die Geschwindigkeit einer anfliegenden Rakete, desto kürzer ist die Reaktionszeit, die dem Angegriffenen bleibt."

Das russische Militär verfügt bereits über zwei Hyperschallraketen: die "Kinschal", die von Flugzeugen aus abgefeuert wird, und die landgestützte "Awangard". Es gab auch schon Berichte darüber, dass Hyperschallraketen in der Ukraine eingesetzt wurden. Betrachtet man sich die Gesamtsituation, scheint "Zirkon" kein Grund dafür, besorgter zu sein, als über die vorhandenen Raketen. Denn es gibt einige Faktoren, die bei der Gefährlichkeit der Waffe berücksichtigt werden müssen.

Berichte über marode Rüstungsindustrie in Russland

Beispielsweise müsse die Ökonomie mitbedacht werden, erklärt Sauer, konkret der Material-, der Arbeits- sowie der Produktionsaufwand. Zwar gibt es keine verlässlichen Daten über die Produktionskosten einer solchen Rakete, doch der Experte schätzt diese auf mehrere Millionen Euro. Zudem häuften sich die Berichte über die marode Rüstungsindustrie Russlands. Hinzu kommen die Effekte der westlichen Sanktionen, etwa der Chipmangel. Geringe Verfügbarkeit dürfte für die russischen Streitkräfte mit Blick auf die "Zirkon"-Rakete folglich ein Problem sein.

Richard Drexl, Diplom-Ingenieur und Oberst a. D., war 41 Jahre lang Soldat und in seiner letzten Verwendung Kommandeur der Technischen Schule der Luftwaffe 1 in Kaufbeuren. Zudem hat er langjährige Erfahrungen in der Rüstung und im Bundesministerium der Verteidigung. Auch er verweist auf die ökonomischen Fragen. Kostengünstige iranische Drohnen in grosser Zahl (ein Stückpreis von 20.000 US-Dollar wird genannt) seien ebenfalls effektiv.

Längerfristig könne man sie nämlich nicht mit millionenschweren Luftabwehrsystemen bekämpfen. Ebenso wie mit hohen Geschwindigkeiten können Raketenabwehrsysteme auch mit einer grossen Menge an Raketen überfordert werden, der Fachausdruck hierfür lautet "sättigen".

Hyperschallrakete als Propaganda

Drexl hält die Veröffentlichung dieses Videos vom Einsatz eines Hyperschallflugkörpers für den Versuch, durch Propaganda die Moral der russischen Truppe zu stärken und westliche Gesellschaften einzuschüchtern. Das sei jetzt im Moment wichtig für das russische Militär, da die Verluste hoch gewesen seien und Russland sich punktuell militärisch in der Defensive befinde. "Da muss man schauen, wie man mit positiven Nachrichten entgegenhalten kann", sagt Drexl.

Den ukrainischen Angriff im Raum Makijiwka führt er exemplarisch für hohe Verluste und einen schlechten Ausbildungsstand an. Aufgrund von ausserordentlich hoher Aktivität von Telefonsignalen konnten an Silvester ukrainische Streitkräfte den Standort russischer Unterkünfte lokalisieren und im Anschluss daran bekämpfen. So sind auf einen Schlag vermutlich eine dreistellige Zahl russischer Soldaten gefallen.

Die Opferzahlen sind allerdings nicht genau bekannt. Russland berichtet von 89 Toten, die Ukraine von 400 Toten und 300 Verletzten. Die wahre Zahl fällt allerdings den Desinformationskampagnen der Kriegsparteien zum Opfer, müsste aber nach Expertenmeinung, "irgendwo dazwischen liegen". Dass die Soldaten überhaupt zu ihren Handys gegriffen haben, gilt in Militärkreisen als deutlicher Hinweis auf schlechte militärischer Ausbildung und desolate Führung.

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Solche Zahlen lassen sich in Russland auch nicht durch trügerische Berichterstattung kaschieren. Schon seit Jahren schrumpft die russische Bevölkerung und wird immer älter. Laut Statista wird die russische Bevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 130 bis 140 Millionen Einwohner schrumpfen. Mit der Ankündigung der Teilmobilisierung sollen laut Forbes 700.000 Menschen Russland verlassen haben. Durch hohe Verluste verlieren Kriegsparteien an gesellschaftlicher Zustimmung für die Sinnhaftigkeit eines Krieges.

Ein weiteres Argument, welches für die Propagandathese spricht, ist die Tatsache, dass die "Zirkon"-Rakete im Jahre 2011 erstmals erwähnt wurde. Seitdem gab es immer wieder Berichte über die Hyperschallrakete. Für die serienmässige Aufnahme in den industriellen Rüstungskomplex spricht derzeit lediglich die russische Ankündigung, diese jetzt in Masse zu fertigen - mehr nicht.

Über die Experten: Dr. Frank Sauer lehrt an der Universität der Bundeswehr. Er ist Co-Herausgeber des "Handbuchs Internationale Beziehungen" und Autor des Buches "Atomic Anxiety: Deterrence, Taboo, and the Non-Use of U.S. Nuclear Weapons". Sein publizistisches Werk umfasst ausserdem Beiträge zu Terrorismus, Cyber-Sicherheit sowie zur militärischen Nutzung von Robotik und Künstlicher Intelligenz.
Richard Drexl, Diplom-Ingenieur und Oberst a. D., war 41 Jahre Soldat und in seiner letzten Verwendung Kommandeur der Technischen Schule der Luftwaffe 1 in Kaufbeuren. Zudem hat er langjährige Erfahrungen in der Rüstung und im Bundesministerium der Verteidigung.

Verwendete Quellen:

  • businessinsider.de: Putin droht mit neuer Superwaffe: Hyperschall-Rakete "Zirkon" soll unaufhaltbar sein
  • n-tv.de: Für Russland geht es in Richtung Sowjetunion – Militärökonom Keupp im Interview
  • zeit.de: Russlands Stolz – mehr Schein als Sein
  • merkur.de: Putins neue Wunderwaffe: Hyperschallrakete "Zirkon" als Albtraum für Militärstrategen?
  • n-tv.de: Russland gehen die jungen Männer verloren
  • forbes.ru: Россию после 21 сентября покинули около 700 000 граждан
  • statista.com: Russland: Gesamtbevölkerung von 1950 bis 2022 und Prognosen bis 2050
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