• Die EU-Töchter russischer Grossbanken können nach wie vor in Europa lukrative Geschäfte machen.
  • Hinter verschlossenen Türen setzte sich die Bundesregierung dafür ein, dass bestimmte Banken von Sanktionen ausgeschlossen wurden.
  • Das belegen interne Dokumente, die CORRECTIV vorliegen.

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Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem SWIFT gilt unter den Wirtschaftssanktionen als schärfstes Schwert. Ohne Zugang zu SWIFT ist Russland vom globalen Finanzmarkt praktisch abgeschnitten. Aber diese Sanktionen gelten nicht für die ausserrussischen Tochterbanken Russlands in der EU.

Aus internen Unterlagen, die CORRECTIV vorliegen, wird deutlich, dass Deutschland in den bisherigen Abstimmungen zu Sanktionen der EU keinen Ausschluss von russischen Tochterbanken in der EU vom SWIFT-Zahlungssystem wollte. Diese Banken sind rechtlich selbstständig, doch ihre Konzernmütter sind die sanktionierten Banken in Russland.

Das Auswärtige Amt gab den deutschen Vertretern für das Treffen des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten im EU-Rat Anfang März die Weisung mit: Deutsches Verhandlungsziel sei "kein de-SWIFTing der ausserrussischen Tochterunternehmen". In anderen Dokumenten heisst es, man solle beim Thema SWIFT "für [eine] zielgerichtete Anwendung [...] werben, um unintendierte Auswirkungen zu reduzieren." Es heisst, die Sanktionen müssten "uns nicht mehr schaden als Russland." Damit schloss sich Deutschland dem Vorschlag der EU-Kommission an.

Bundesfinanzministerium schiebt Verantwortung zur EU Kommission

Das inhaltlich zuständige Bundesfinanzministerium bestätigte diese Haltung auf Anfrage von CORRECTIV, gibt jedoch der EU-Kommission die Verantwortung. Ein Ausschluss europäischer Töchter russischer Banken von SWIFT sei bereits im Verordnungs-Vorschlag der EU Kommission vorgesehen gewesen, man habe nur noch zugestimmt.

"Grundsätzlich konzentrieren sich die EU-Sanktionen darauf, den Schaden für die russische Wirtschaft zu maximieren und Gegeneffekte, die die Bündnispartner in ihrer Durchhaltefähigkeit schwächen, möglichst gering zu halten" Weitere inhaltliche Gründe für diese Ausnahmen nennt die Bundesregierung nicht.

Wird eine Bank vom SWIFT-Netz ausgeschlossen, kann sie dort keine Transaktionen mehr machen. Wird sie als sanktioniert gelistet, können sie in der EU überhaupt keine Transaktionen mehr durchführen und ihr Vermögen wird eingefroren.

Das bestätigt auch die Bundesbank: Die Tochterbanken dürfen zwar keine Zahlungen an ihre sanktionierten Mutterbanken weiterleiten. "Fraglich ist, ob die eher schwachen Kontrollen der Bundesbank ausreichen, eine effektive Sanktionsdurchsetzung für alle Konten der russischen Banken sicherzustellen," sagt dazu der Finanzexperte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Die EU hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges zehn russische Grossbanken aus dem SWIFT-System abgekoppelt – sieben Anfang März sowie drei weitere im Juni. Darunter ist nun auch die Sberbank, Russlands grösste Bank.

Banken-Ableger in Frankfurt, Wien oder Luxemburg

Nach Recherchen von CORRECTIV haben die von SWIFT ausgeschlossenen russischen Banken in Europa mindestens sieben Tochtergesellschaften, darunter die VTB Bank (Europe) SE in Frankfurt am Main und die Sberbank Europe AG mit Hauptsitz in Wien. Weitere Tochterbanken sind in Zypern und Luxemburg angesiedelt.

Die Ausnahmen stiessen innerhalb der EU auch auf Skepsis. Das polnische Aussenministerium schreibt auf Anfrage von CORRECTIV: "Russische Banken, einschliesslich ihrer in der EU tätigen Tochtergesellschaften, sind ein wichtiges Instrument zur Förderung des russischen Finanzsystems." Ihr Management handele normalerweise unter strenger politischer Aufsicht des Kremls, so das polnische Aussenministerium. Würde nur ein Teil des russischen Bankensystems abgeschnitten, erleichtere dies „den Wechsel von einer Bank zur anderen und verringert die praktischen Auswirkungen der EU-Sanktionen erheblich."

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