Ein russischer Raketenangriff hat in der nordostukrainischen Stadt Sumy über 30 Zivilisten getötet. Ziel soll eine Ordensverleihung im Stadtzentrum gewesen sein. Nun muss der Gouverneur gehen. Unterdessen nennt der russische Geheimdienstchef Bedingungen für ein Ende des Krieges.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach einem verheerenden russischen Raketenangriff die Entlassung des Militärgouverneurs des Gebiets Sumy, Wolodymyr Artjuch, eingeleitet. Sein Antrag wurde von der Regierung unterstützt, teilte der Regierungsvertreter im Parlament, Taras Melyntschuk, bei Telegram mit.

Artjuch hatte am Tag zuvor dem ukrainischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zufolge eingeräumt, dass dort zu der Zeit des Angriffs eine Ordensverleihung an Soldaten stattgefunden hat. Gleichzeitig hatte Artjuch jedoch erklärt, dass diese Veranstaltung nicht von ihm veranlasst worden sei.

Die Versammlung der Militärs sei nicht seine Initiative gewesen, sagte der Gouverneur dem Nachrichtenportal "Suspilne". "Ich war eingeladen." Dem Portal zufolge machte Artjuch auch auf Nachfrage keine Angaben dazu, wer Initiator des Treffens war. "Das ist schon ein anderes Thema", meinte er auf die Frage. Der 66-Jährige hatte das Amt des Gouverneurs knapp zwei Jahre lang inne.

Bei dem Angriff in der nordostukrainischen Stadt sind mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen. Unter den gemeldeten Opfern waren inoffiziellen Angaben zufolge allerdings nur zwei Soldaten. Etwa 120 weitere Menschen wurden demnach verletzt. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren gegen eine russische Invasion.

Kritik am Gouverneur von Sumy nach russischem Angriff

Ein Bürgermeister der Region und eine Parlamentsabgeordnete kritisierten am Sonntag, dass sich unweit der russischen Grenze im Zentrum von Sumy in einer Kongresshalle Soldaten versammelt hatten. Eine solche Zusammenkunft gilt als potenzielles Ziel für russische Angriffe und deshalb als Gefahr für Zivilisten.

Russland stellte den Raketenschlag als Angriff gegen ein militärisches Ziel dar - ein Treffen gegnerischer Kommandeure. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte ukrainische Angaben über einen Doppelschlag: Es seien zwei ballistische Raketen vom Typ Iskander-M eingesetzt worden.

Kremlsprecher Dmitri Peskow wiederholte in Moskau die übliche Darstellung, dass die russische Armee nur auf militärische oder militärnahe Ziele schiesse. Mehrere westliche Politiker, darunter der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, verurteilten den russischen Raketenangriff.

Ukrainische Drohnen greifen Kursk an

In den vergangenen Monaten hatte Russland wiederholt ukrainische Städte mit Raketen und Kampfdrohnen angegriffen. Nun schlägt Kiew offenbar zurück. Die westrussische Stadt Kursk wurde in der Nacht nach russischer Darstellung von ukrainischen Kampfdrohnen angegriffen.

Es gebe mindestens ein Todesopfer und neun Verletzte, berichtete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf die örtlichen Militärbehörden. Bei dem Angriff seien mehrere Gebäude in Brand geraten, darunter eine Garage mit Krankenwagen. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden. Wenige Tage vor dem Angriff auf Sumy waren die Grossstädte Kiew und Charkiw Ziele russischer Kampfdrohnen gewesen.

Russischer Geheimdienstchef nennt Bedingungen für Kriegsende

Unterdessen hat Moskaus Auslandsgeheimdienstchef Sergej Naryschkin für die Beendigung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine mehrere Bedingungen genannt. "Die Bedingungen des Friedensabkommens beinhalten natürlich einen atomwaffenfreien, neutralen Status der Ukraine, die Entmilitarisierung und Entnazifizierung des ukrainischen Staates, die Abschaffung aller diskriminierenden Gesetze, die nach dem Staatsstreich 2014 verabschiedet wurden", sagte Naryschkin. Eine Einigung müsse zudem "die Anerkennung der Souveränität und der territorialen Grenzen der Russischen Föderation - die aktuellen territorialen Grenzen" einschliessen.

Naryschkin lobte, dass der Dialog zwischen Russland und den USA wieder aufgenommen worden sei. Zugleich warf er Deutschland, Frankreich und Grossbritannien vor, die Lage im Krieg zu eskalieren. Russland sehe gemeinsam mit Belarus, das ebenfalls eine Grenze mit Polen hat, eine Zunahme der Nato-Aktivitäten an den Grenzen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, dass Russland und die USA angestrengt an einer Friedenslösung für die Ukraine arbeiteten. Europa hingegen warf er vor, mit Waffenlieferungen an die Ukraine an einer Fortsetzung des Krieges interessiert zu sein. Die EU und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weisen das zurück und betonen, einen Frieden durch Stärke anzustreben.

Witkoff nach Putin-Treffen: Friedensdeal zeichnet sich ab

Der US-Sondergesandte Steve Witkoff zeigte sich nach einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in St. Petersburg zuversichtlich, dass sich ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine abzeichnet. Das fünfstündige Gespräch sei eindrucksvoll gewesen, sagte Witkoff dem US-Sender Fox News. Putin strebe einen "dauerhaften Frieden" über einen Waffenstillstand hinaus an. Eine Einigung kristallisiere sich heraus, so Witkoff.

Der US-Sondergesandte sagte weiter, dass es bei einem Friedensabkommen neben der Nato auch um "die sogenannten fünf Gebiete" gehen werde. Er führte das nicht weiter aus. Nach der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 hatte Russland 2022 nach umstrittenen Volksabstimmungen auch die ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja zu seinen Regionen erklärt. Ausser der Krim kontrolliert Russland aber keines der Gebiete vollständig.

Witkoff hatte vergangenen Freitag stundenlang mit Putin über eine Beendigung des russischen Angriffskrieges verhandelt. Es war das dritte Treffen der beiden in den vergangenen Wochen. Witkoff hatte sich nach seinen Gesprächen mit Putin mehrfach auffallend positiv über den Kremlchef geäussert. (dpa/bearbeitet von tas/nap)