Die Ukraine braucht zur Abwehr der russischen Invasion mehr Soldaten. Doch wie die Mobilisierung aussehen soll, ist noch unklar. Ukrainer im Ausland könnten aber unliebsame Post bekommen. Im Folgenden ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.
Russland hat die Ukraine in der Nacht zum Donnerstag erneut mit Schwärmen von Kamikaze-Drohnen angegriffen. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe flogen die Shahed-Drohnen iranischer Bauart von Osten und von Süden an. Im Osten und im Zentrum der Ukraine herrschte ab den Abendstunden des Mittwochs Luftalarm je nachdem, wohin die Drohnen-Schwärme gesteuert wurden.
Der Generalstab in Kiew berichtete von unverändert heftigen Bodengefechten an vielen Abschnitten der Front im Osten und Süden der Ukraine.
Am Donnerstag ist der 666. Kriegstag; die Ukraine wehrt seit Februar 2022 eine gross angelegte russische Invasion ab.
Ukraine braucht Drohnen jeder Art
Selenskyj sagte, er habe mit Regierung und Militär in Kiew darüber gesprochen, was an Drohnen im Lager sei, was an der Front benötigt werde. "Die Logistik wird schneller sein", sagte der Präsident. Man arbeite auch daran, die Effektivität von Drohnen zu verbessern.
Die Bedeutung von Drohnen jeder Grösse hat in den fast 22 Monaten des Krieges stark zugenommen. Mit kleinen Kameradrohnen beobachten ukrainische wie russische Soldaten auf dem Schlachtfeld jeden Schritt des Gegners. Solche Fluggeräte können auch kleine Sprengladungen über Panzern oder Schützengräben abwerfen. Die Ukrainer gleichen damit zum Teil ihren Mangel an Artilleriemunition aus. Russland verfügt über sehr effektive Technik zum Stören der Elektronik feindlicher Drohnen.
Russland setzt fast jede Nacht die Shahed-Drohnen ein, die wie Kamikaze-Flieger am Ende des Fluges mit einer Sprengladung über ihrem Ziel abstürzen. Die Ukraine entwickelt ihre eigenen Drohnen weiter und gibt ihnen grössere Reichweite. Bislang ist aber der Schaden begrenzt, den sie bei Angriffen auf Ziele in Russland anrichten.
Kiewer Militär räumt Geländegewinne der Russen ein
Das ukrainische Militär bestätigt Geländegewinne der Russen bei deren Bodenoffensive seit zwei Monaten im Südosten der Ukraine. "Seit dem 10. Oktober, als der Feind aktiver wurde, ist er an einigen Stellen um anderthalb bis zwei Kilometer vorgerückt", sagte Oberst Olexander Schtupun, Armeepressesprecher in diesem Frontabschnitt. Er fügte hinzu: "Aber das hat ihn viel gekostet." Schwerpunkt der Angriffe sei die Industriestadt Awdijiwka, die dicht an der russisch kontrollierten Donbass-Hauptstadt Donezk liegt.
An Mannstärke sei der Feind überlegen, räumte Schtupun ein. Den hohen russischen Einsatz an Soldaten und Panzern in der Region bestätigen Beobachter wie das Institut für Kriegsstudien (ISW) in den USA, ebenso die hohen russischen Verluste. Auch ihre Berichte belegen ein Vorrücken der Russen, das die Ukraine in Awdijiwka unter Druck setzt.
Für Mittwoch nannte der Abendbericht des ukrainischen Generalstabs 89 einzelne russische Bodenangriffe an 7 Frontabschnitten. Demnach gab es erneut 31 Gefechte bei Awdijiwka. Aber auch auf dem südlichen Dnipro-Ufer bei Krynki im Gebiet Cherson wurden 29 Gefechte gezählt. Dort unterhält die ukrainische Armee seit einigen Wochen einen Brückenkopf.
Kiew will Ukrainer aus dem Ausland einziehen
Bei der Suche der Ukraine nach zusätzlichen Soldaten will der neue Verteidigungsminister Rustem Umjerow kommendes Jahr auch im Ausland lebende Männer zum Wehrdienst heranziehen. Ukrainer im wehrfähigen Alter von 25 bis 60 Jahren in Deutschland und anderen Ländern sollten aufgefordert werden, sich in den Rekrutierungszentren der Streitkräfte zu melden. Das kündigte Umjerow in einem Interview mit "Bild", Welt TV und "Politico" an.
Das ukrainische Militär möchte 450.000 bis 500.000 weitere Soldaten mobilisieren. Die finanziellen und politischen Rahmenbedingungen sind jedoch noch nicht geklärt. Präsident Selenskyj hat die Mobilisierung eine "sensible Frage" genannt. Trotz Verbotes haben sich viele ukrainische Männer vor einer möglichen Einberufung ins Ausland abgesetzt.
EU gibt 150 Millionen Euro für den Wiederaufbau
Die Europäische Union hat der Ukraine 150 Millionen Euro für den Wiederaufbau überwiesen. Wie das Finanzministerium in Kiew mitteilte, fliessen die Mittel im Rahmen eines Abkommens mit der EU für die schnelle Wiederherstellung von Infrastruktur in der Ukraine. Es gehe um Schäden am Verkehrsnetz, an Versorgungseinrichtungen, im sozialen Sektor und an Wohngebäuden, sagte Finanzminister Serhij Martschenko.
Eine zweite Tranche von 100 Millionen Euro werde im ersten Quartal 2024 erwartet. Das Geld solle für Konjunkturmassnahmen und die Unterstützung landwirtschaftlicher Betriebe verwendet werden.
Das wird am Donnerstag wichtig
In Budapest gibt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban zum Jahresabschluss eine Pressekonferenz. Dabei werden auch Fragen zur Ukraine erwartet. Orban unterhält trotz des Krieges enge Kontakte nach Moskau. Er ist in der EU der entschiedenste Gegner eines Beitritts der Ukraine. Den Beschluss für Aufnahmegespräche mit Kiew konnte ein EU-Gipfel vergangene Woche nur treffen, weil Orban nicht mit abstimmte. Sein Land blockiert auch ein grosses EU-Hilfspaket im Umfang von 50 Milliarden Euro. (dpa/lag)
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