- Milliardär und Twitter-Chef Elon Musk untersagt der Ukraine, seinen Satelliteninternetdienst Starlink für bestimmte militärische Zwecke zu nutzen.
- Was das Aus für die Ukraine bedeutet und was Starlink so besonders macht, erklärt Experte Klaus Schilling.
Techmilliardär
Gwynne Shotwell, Präsidentin von "SpaceX", erklärte: "Wir wissen, dass das ukrainische Militär Starlink für die Kommunikation verwendet, und das ist in Ordnung". Es sei aber nie Absicht des Unternehmens gewesen, den Dienst für offensive Zwecke zu verwenden.
"Kommunikationsrückgrat der Ukraine"
Nach Angaben von Shotwell hatte das ukrainische Militär das Satellitennetzwerk beispielsweise dafür genutzt, unbemannte Drohnen zu steuern. Die Nutzungsweise sei nicht vereinbart gewesen, vielmehr solle der Vertrag humanitäre Zwecke sicherstellen. Dazu zählt zum Beispiel Breitbandinternet für Krankenhäuser, Banken oder Familien.
Die ukrainische Politikerin Inna Sowsun hatte gegenüber dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND)" zugegeben: "Unsere Soldaten und Soldatinnen nutzen Starlink sehr intensiv." Es sei ein grosser Vorteil, Zugang zum Internet zu haben, bei den Russen sei das nur selten der Fall. Man sei deshalb "dankbar für Elon Musks Hilfe".
Der selbst twitterte: "Starlink ist das Kommunikationsrückgrat der Ukraine, insbesondere an der Front, wo fast alle anderen Internetverbindungen zerstört wurden. Aber wir werden keine Eskalation von Konflikten ermöglichen, die zum Dritten Weltkrieg führen könnten."
SpaceX im Konflikt
Die Debatte um Starlink kocht schon seit Längerem. Mykhailo Podolyak, Berater des ukrainischen Präsidenten, äusserte bereits in der Vergangenheit, dass "SpaceX" das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung nicht anerkenne. Das Unternehmen müsse sich entscheiden, ob es "auf der Seite des Rechts auf Freiheit" stehe oder "auf der Seite der Russischen Föderation und ihres 'Rechts' zu töten und Gebiete zu erobern".
Was bedeutet das Aus nun für die Ukraine? Klaus Schilling ist Experte für Satellitennetzwerke und sagt: "Information ist im Alltag und auch im Krieg essenziell. In Konfliktfällen ist entscheidend, dass man Informationen sehr schnell verfügbar hat." Starlink habe in der Ukraine dazu einen grossen Teil beigetragen.
"Zwar können Informationen auch über Glasfaserkabel und Funk ausgetauscht werden. Wo aber kein Mast aufgestellt ist oder zerstört wurde, ist man nicht erreichbar", erinnert er. Satelliten seien deshalb gut geeignet, Lücken zu schliessen, sie deckten Gebiete sehr grossflächig ab.
Grösstes Netzwerk seiner Art
Starlink sei das grösste Netzwerk seiner Art, mehr als 3.000 Satelliten würden dazuzählen, sagt Schilling. Die Satelliten des Unternehmens würden vergleichsweise niedrig fliegen und könnten Daten dadurch schneller austauschen. Schilling erläutert: "Wenn man einen geostationären Satellit in 36.000 Kilometer Höhe über dem Äquator platziert, dann steht er fest und dreht sich konstant mit der Erde mit. Die Distanzen von der Erdoberfläche zu den Starlink-Satelliten sind viel kürzer, sie befinden sich typischerweise in einer Höhe von etwa 550 Kilometern Höhe."
Dadurch habe man kürzere Warte- und Laufzeiten, der Sichtbereich sei aber kleiner als bei Satelliten, die höher positioniert sind. "Die Starlink-Satelliten bewegen sich mit etwa 28.000 Kilometer pro Stunde. Von der Bodenstation aus sieht man sie etwa zehn Minuten, dann muss man auf den Nachfolge-Satelliten umschalten, der die Übertragung fortsetzt", erläutert der Experte.
Geschwindigkeit des Informationsflusses ist entscheidend
Durch die jetzigen Einschränkungen sei die schnelle Reaktionsfähigkeit des ukrainischen Militärs betroffen. "Man kann zwar auch auf Bodennetze zurückgreifen, also Glasfaser- und Kupferleitungen oder Funknetze. Russland versucht aber, all das zu zerstören", sagt Schilling. Gerade Satellitenkommunikation hätte sich als relativ stabil und resistent erwiesen.
"Echtzeit-Fähigkeit ist in militärischen Konflikten wichtig, es kann ausschlaggebend sein, schneller als der Gegner Informationen zu nutzen. Aber durch Funksignale lassen sich auch die Sender lokalisieren", sagt Schilling weiter. Berichten zufolge nutzten ukrainische Aufklärungsdrohnen das Satellitennetzwerk, um Positionsdaten der Gegner schnell an alle Raketenwerfer und Haubitzen der eigenen Artillerie weiterzugeben. Auf dieser Basis werden dann Raketen innerhalb von Minuten auf diese Ziele programmiert und abgeschossen.
Schätzungen mancher Experten zufolge ist die Effizienz der ukrainischen Infanterie allein durch die Fähigkeit zur Echtzeitkommunikation um etwa 300 Prozent gestiegen. Sie messen Starlink einen entscheidenden Anteil am Ablauf des Krieges bei.
Steuern von Drohnen eingeschränkt
Schilling sagt, dass das Unternehmen Starlink nun den militärischen Nutzen einschränken wolle. "Die Silicon-Valley-Unternehmen haben meist einen Anspruch auf Weltbesserung. Sie wollen zum Beispiel Internetzugang überall und zu jeder Zeit anbieten, aber gleichzeitig auch damit Geschäfte machen", so der Experte. So stellt man Kommunikation gegen Gebühren zur Verfügung, wolle aber gleichzeitig nicht als Kriegsunterstützer gelten.
Es würde sich aus Sicht des Unternehmens nun anbieten, vor allem das Steuern unbemannter Militärdrohnen einzuschränken. "Es ist erkennbar, wenn ein Signal nicht vom Boden kommt, sondern in einer grösseren Höhe fliegt", erklärt Schilling. Die Positionsprofile der Drohnen liessen somit Rückschlüsse auf eine mögliche militärische Anwendung zu.
Elon Musk in der Kritik
Am Boden sei es deutlich schwieriger, den Hintergrund einer Anwendung zu unterscheiden. Militärische Kommunikation sieht ähnlich aus wie ein Telefonat. Andere als militärische Verwendungszwecke von Starlink sollen allerdings möglichst nicht betroffen werden, also etwa Kommunikation, Datenaustausch oder Livestreams.
Der Dienst hatte vielen Ukrainern und Ukrainerinnen nach Kriegsbeginn Zugang zum Internet ermöglicht. Musk steht nun auch in der Kritik, sich von russischen Politikern einschüchtern zu lassen.
Für Experte Schilling machen die Vorkommnisse deutlich, wie vernetzt die Welt ist. "In der Nacht vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs wurden Satellitennetzwerke gehackt und unbrauchbar gemacht, die das ukrainische Militär intensiv genutzt hat. Auch Windräder in der Nordsee waren als Kollateralschaden betroffen. Deren Empfangsmodule mussten danach sogar physisch ausgetauscht werden", sagt er.
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