In der nordukrainischen Stadt Sumy unweit der russischen Grenze gibt es mehr als 150 Opfer bei Raketeneinschlägen. Nun kommen bohrende Fragen auf, warum dort eine Militärversammlung angesetzt wurde.

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Nach dem russischen Raketenangriff auf die nordukrainische Stadt Sumy mit Dutzenden Opfern hat ein ukrainischer Bürgermeister Vorwürfe gegen den Gouverneur der Region erhoben.

Ukrainische Rettungskräfte löschen brennende Fahrzeuge in Sumy. (Aufnahmedatum: 13. April 2025) © picture alliance/newscom/Ukrainian Emergency Service

Er kritisierte, dass die Behörden in Sumy trotz der Nähe zur Front und der hohen Gefahr von Angriffen eine Militärversammlung zur Ehrung von Soldaten angesetzt hätten. "Soweit mir bekannt ist, wurde er (Gouverneur Wolodymyr Artjuchin) gewarnt, dass man so etwas nicht tut", sagte der Bürgermeister der Stadt Konotop, Artem Semenichin, in einem bei Facebook veröffentlichten Video.

Zwar erhob der Bürgermeister nicht direkt den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Zahlreiche ukrainische Medien berichteten aber über seine ungewöhnlich kritischen Äusserungen in aller Öffentlichkeit.

Ermittlungsverfahren zu Militärversammlung läuft

"Gott sei Dank wurde niemand von den Soldaten verletzt, sie waren alle im Schutzbunker", sagte Semenichin. Gleichwohl hätten die russischen Aggressoren die Versammlung der Soldaten in Frontnähe als Vorwand für ihre "terroristische Aggression" genutzt. Inzwischen laufe auch ein Ermittlungsverfahren, um herauszufinden, wer sich solch eine Militärversammlung 30 Kilometer von russischen Stellungen entfernt ausgedacht habe, sagte er.

Die beiden Raketen waren nach übereinstimmenden Angaben auch anderer Politiker im Stadtzentrum von Sumy eingeschlagen, als dort in der Kongresshalle der Universität die Zeremonie zur Auszeichnung von Militärangehörigen lief. Es sei die Unwahrheit, wenn behauptet werde, dass im Zentrum von Sumy nichts gewesen sei, sagte Semenichin. Damit bezog er sich offenbar auf Behauptungen, dass es keine Militärversammlung gegeben habe.

Die ukrainische Parlamentsabgeordnete Marjana Besuhla rief Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Armeeführung auf, keine "Militärs zu Ehrungen zu versammeln, vor allem nicht in friedlichen Städten". Es sei ein Sicherheitsrisiko, wenn solche Veranstaltungstermine für alle einsehbar in sozialen Netzwerken veröffentlicht würden. Zugleich betonte sie, dass nichts den russischen Angriff rechtfertigen könne und Kriegsparteien die Pflicht hätten, ihre Ziele auf zu befürchtende zivile Opfer hin zu prüfen.

Ukrainische Funktionäre hatten den russischen Raketenangriff als besonders abscheulich verurteilt, weil viele Menschen am Palmsonntag vor Ostern auf der Strasse gewesen seien, um an den Einzug Jesu Christi in Jerusalem zu erinnern von einer Ansammlung von Soldaten war keine Rede. Demnach gab es auch kein militärisches Ziel für Russland in der Stadt. Das russische Militär behauptet stets, keine zivilen, sondern nur militärische Ziele in der Ukraine anzugreifen.

Mehr als 150 Tote und Verletzte im Stadtzentrum

Anschuldigungen wie die von Semenichin sind selten, weil Kritiker der offiziellen Linie im Verteidigungskrieg gegen Russland schnell in Misskredit geraten können. Der Bürgermeister stellte auch klar, dass die Schuld am Angriff bei den Russen liege. "Ziel Nummer eins waren die friedlichen Menschen, vor allem Kinder. Ziel Nummer zwei waren die Soldaten", sagte er. Unter den Militärs wurde demnach niemand verletzt.

Unter den Zivilisten im Stadtzentrum gab es nach Angaben der Behörden und Selenskyjs mindestens 34 Tote und 117 Verletzte, darunter mehrere Kinder. Mehrere westliche Politiker, darunter der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, verurteilten den russischen Raketenangriff.

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren gegen Russlands Angriffskrieg. Moskau wirft Kiew immer wieder vor, russische Angriffe gezielt zu provozieren und ukrainische Zivilisten in Gefahr zu bringen, um im Westen mehr Unterstützung für das Land zu mobilisieren. Beweise für solche Behauptungen gibt es nicht. (dpa/bearbeitet von tas)

Teaserbild: © picture alliance/newscom/Ukrainian Emergency Service