Die ukrainische Flugabwehr feuert in der Nacht heftig auf einen russischen Drohnenschwarm, kann aber einen tödlichen Einschlag nicht verhindern. Die Folgen sind fatal.
Mit Drohnenangriffen auf die ukrainische Hafenstadt Odessa hat Russland vor dem zweiten Jahrestag seines Angriffskriegs mindestens drei Menschen getötet. Die Opfer starben nach Angaben der Behörden in den Trümmern eines völlig zerstörten Industriegebäudes, das in der Nacht zum Freitag auch ausbrannte. "Dieses Mal wurden in Richtung Odessa neun Drohnen eingesetzt", sagte die Sprecherin der Südgruppierung der ukrainischen Armee, Natalja Humenjuk, vor Journalisten. Sie bezeichnete den nächtlichen Angriff als weiteren Test der Flugabwehr durch das russische Militär.
Unter anderem habe Russland mehrere Antiradarraketen eingesetzt, sagte Humenjuk. Diese hätten jedoch alle aufgrund einer schlechten Produktionsqualität ihr Ziel nicht erreicht. Alle Drohnen seien dagegen getroffen worden, eine abgeschossene Drohne aber auf das Industriegebiet gestürzt. "Es gab ein Feuer auf einer Fläche von 500 Quadratmeter. Leider hat die Bekämpfung sehr lange gedauert", sagte sie. Die drei Menschen hätten nicht gerettet werden können.
"Ich hörte die Drohnen und das Abwehrfeuer. Dann die Explosion", sagte die Nachtwächterin der Anlage, Olena Knap, der Deutschen Presse-Agentur am Ort des Einschlags. Bei den Getöteten handele es sich um Verwandte des Firmeninhabers. Sie seien Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine gewesen, die in der Näherei gewohnt hätten. Sie selbst trägt Stunden nach der Explosion Habseligkeiten aus dem Wachhäuschen wenige Meter vor dem getroffenen Gebäude, in dem sie den Einschlag unverletzt überlebt habe. Sie sei aus einem Fenster geklettert und sagt: "Ich war wie taub durch den Knall."
Auch in Dnipro Zerstörungen nach Drohnenangriff
An diesem Samstag jährt sich der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zum zweiten Mal. Kremlchef Wladimir Putin, der die Invasion am 24. Februar 2022 befohlen hatte, beglückwünschte die russischen Soldaten in der Nacht zum Freitag zum Tag des Vaterlandsverteidigers, einem der wichtigsten nationalen arbeitsfreien Feiertage Russlands. Das Land überzieht die Ukraine immer wieder mit Drohnen- und Raketenangriffen. Auch aus der ukrainischen Stadt Dnipro wurden am Freitag Zerstörungen nach einem Drohnenangriff gemeldet. Die Behörden dort veröffentlichten Bilder eines beschädigten Hochhauses, acht Menschen seien verletzt worden. Es werde nach Verschütteten unter Trümmern gesucht, hiess es.
Nach Angaben der ukrainischen Luftverteidigung wurden insgesamt 23 von 31 russischen Drohnenangriffen in der Nacht zum Freitag abgewehrt, davon allein neun in Odessa. Die Führung in Kiew fordert immer wieder noch mehr Unterstützung vom Westen beim Ausbau der Flugabwehr, um die Städte im Land noch besser vor Angriffen mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen schützen und so mehr Menschenleben retten zu können.
Hafenstadt Odessa hat grosse Bedeutung für Ukraine
Odessa hat für die Ukraine eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Die Hafenstadt ist logistisch das Tor zur Welt und so sind Angriffe in diesen Gebieten auch Teil der russischen Versuche, den Aussenhandel der Ukraine abzuschneiden. Von den eigentlich 18 Seehäfen der Ukraine seien derzeit nur sechs in Betrieb, sagte Dmytro Barinow, der Vizechef der staatlichen Hafenbehörde, am Freitag in Odessa.
"In unserer Branche geht es nicht um Wachstum. Es geht ums Überleben."
Darunter seien drei Häfen im Donau-Gebiet, die nur einen geringen Tiefgang der Schiffe von etwa sieben Metern erlaubten. Viel grössere Kapazitäten gebe es in den drei Häfen im Grossraum Odessa. "Bei jedem Luftalarm gehen die Arbeiter in die Schutzräume", sagte er. Zudem habe es gezielte Angriffe gegeben, wie im vergangenen Jahr, als ein Lotse von einem Raketentreffer auf der Brücke eines Handelsschiffes getötet worden sei. Russland wolle den zivilen Seeverkehr stören. Die Handelsschiffe fahren Odessa auf Routen im Schutz der Küste an und warten auf der anderen Seite des Bosporus – also im Marmarameer vor Istanbul – auf ihr Zeitfenster zur Einfahrt.
Oleh Kostjuk, Geschäftsführer der ukrainischen Logistikgruppe GTI, die im Geschäft mit den für die Ernährungslage in vielen Staaten wichtigen Getreideexporte der Ukraine ist, betonte in einem Interview, die Lage sei wegen der fortgesetzten Angriffe auf die Infrastruktur schwierig und erlaube keine grossen Investitionen. Während die Fahrt der Schiffe von grossen Gesellschaften versichert werden könne, gelte das nicht für den Zeitraum der Verladung und Lagerung in den Häfen. Geplant werden könne nur für die nächsten Monate, nicht für mehrere Jahre, wie es für Investitionen nötig sei. Er sagte: "In unserer Branche geht es nicht um Wachstum. Es geht ums Überleben." (Carsten Hoffmann, dpa/tas)
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