- Immer wieder macht Ramsan Kadyrow mit scharfer Kritik am russischen Offizierskorps auf sich aufmerksam.
- Zuletzt hatte der Tschetschenen-Anführer den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine gefordert.
- Für sein Engagement wurde er nun von Wladimir Putin zum Generaloberst befördert.
- Wer ist der Mann, der als "Putins Bluthund" gilt?
60.000 Euro beträgt der offizielle Jahresverdienst von Tschetschenen-Anführer Ramsan Kadyrow – zumindest wenn man seinen Steuerangaben vertraut. In der russischen Teilrepublik ist das sicherlich ein deutlich überdurchschnittliches Gehalt. Trotzdem sind die Angaben wenig glaubwürdig.
So leistet sich das Oberhaupt des Staates einen eigenen Fuhrpark mit teuren Sportwagen, mehrere Pferde und ein beachtliches Anwesen, das in Tschetschenien seinesgleichen sucht. Prominenten Besuchern wie dem Boxer Floyd Mayweather oder der Schauspielerin Hilary Swank macht er Geldgeschenke - gerne mal in sechsstelliger Höhe bis hin zu einer Million US-Dollar.
Und auch beim Stil geizt er nicht: Erst jüngst wurde bekannt, dass der Boxsack, mit dem sich der bullige 46-Jährige fit hält, von der Luxusmarke Louis Vuitton stammt und von
Nun ist all das mit 60.000 Euro Jahresverdienst nur schwer zu finanzieren. Darauf angesprochen, woher das ganze Geld für sein Luxusleben stamme, sagte der gläubige Muslim in einem TV-Interview, dass nur Allah allein das wisse. Viel wahrscheinlicher ist, dass der russische
Millionen aus Moskau
Das Geld soll den Frieden sichern und den Wiederaufbau nach vielen Jahren Krieg gewährleisten. Das funktioniert so weit auch, allein die Hauptstadt Grosny ist von einem Sinnbild der Zerstörung und des Krieges zu einer boomenden Grossstadt geworden, die unter anderem den angeblich grössten Springbrunnen der Welt beherbergt.
Gleichzeitig sorgt das Geld aus Moskau aber auch dafür, dass sich Ramsan Kadyrow seine Taschen füllen kann. Denn in "seinem" Land zahlen Beamte Teile ihrer Gehälter in die Stiftung des toten Präsidenten-Vaters Achmat Kadyrow ein, die von Ramsan Kadyrows Mutter Aimani geleitet wird. Für Unternehmer fallen in Tschetschenien ganze 50 Prozent "Kadyrow"-Steuer an.
Kein Wunder also, dass das Staatsoberhaupt Tschetscheniens ein Leben in Saus und Braus führen kann. Der Deal ist recht einfach: Putin investiert in Kadyrow und dieser sorgt umgekehrt für Ruhe in der russischen Teilrepublik, die einst von blutigen Unabhängigkeitskriegen gebeutelt wurde.
Es ist auch ein guter Deal für den Kreml: Bevor die Kadyrows an die Macht kamen, war Tschetschenien eine Operationsbasis für Terroristen, die zahlreiche grausame Anschläge in Russland verübten. Am bekanntesten: Die Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater, der im Jahr 2002 über 125 Geiseln zum Opfer fielen.
Kadyrows Vater bei Attentat getötet
Ramsan Kadyrows Vater Achmat sollte die Antwort auf den blutigen Krieg sein und das Ende des Separatismus einläuten. Dabei war er zunächst Teil der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung, wechselte aber während des zweiten Tschetschenienkriegs die Seiten.
Diese Ambivalenz spiegelte sich auch in der Entscheidung Moskaus für Kadyrow wider: Mit der Ernennung zum Präsidenten wollte Putin den Tschetschenen eine gewisse Autonomie zugestehen und gleichzeitig die Fäden in der Hand behalten und klarmachen, dass eine komplette Unabhängigkeit von Russland niemals möglich sein würde.
So der Plan. Doch die oppositionellen Kräfte hatten anderes vor: Präsident Achmat Kadyrow war noch kein Jahr im Amt, als er 2004 von tschetschenischen Separatisten mit einer Landmine während der Feierlichkeiten zum Sieg über die Nationalsozialisten getötet wurde.
Ramsan, nach tschetschenischem Recht noch zu jung, um das Präsidentenamt zu übernehmen, wurde schleunigst nach Moskau gebracht und vom russischen Präsidenten eingeschworen, nun baldmöglichst die Verantwortung zu übernehmen. Das Ziel war klar: Bloss keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wer in Grosny das Sagen hat. Nämlich: die Kadyrows und letztlich Putin.
Ramsan Kadyrow gilt als Putins "Bluthund"
Von nun an war der junge Ramsan für den russischen Präsidenten eine Art Ziehsohn. Seit seiner Ernennung zum Präsidenten 2007 sorgte Kadyrow für Frieden im Nordkaukasus – oder zumindest das, was seiner Auffassung nach Frieden ist. In der Praxis bedeutete das, dass er und seine Leibgarde, die sogenannten Kadyrowzy (übersetzt "Kadyrows Anhänger"), ohne Rücksicht auf zivile Verluste brutal gegen jede Form von Unabhängigkeitsbestrebungen oder Kritik am Regime vorgingen.
Zahlreiche Menschenrechtsverstösse werden Kadyrow und seinen Anhängern vorgeworfen, darunter Folter und Mord an Journalisten, Aktivisten und Homosexuellen. Selbst im Ausland waren Regime-Kritiker nicht sicher und fielen Mordattentaten zum Opfer, teilweise auf offener Strasse - wie in Wien und Moskau geschehen. Auch in Deutschland versuchten Kadyrows Männer 2021 ein Attentat auszuüben, scheiterten aber an der Wachsamkeit der deutschen Behörden.
Das alles geschah nicht im Geheimen: Einige Fälle sind gut dokumentiert, hatten für den Tschetschenen-Anführer aber keinerlei Konsequenzen. Putin gewährt Kadyrow bei seinen Aktivitäten freie Hand: Die Kadyrowzy sind zwar offiziell eine paramilitärische Einheit in Divisionsstärke, unterstehen aber nicht dem russischen Innenministerium und sind dementsprechend an keinerlei Rechtsnormen gebunden. Seine brutale Vorgehensweise hat Kadyrow den Beinamen "Putins Bluthund" eingebracht.
Kadyrow: "Wir sind die Infanterietruppen Putins"
Kadyrow zeigt seine Loyalität gegenüber dem russischen Präsidenten ganz offen. So beispielsweise 2014, als er vor 20.000 Kadyrowzy im Stadion von Grosny erklärte: "Wir sind die Infanterietruppen Putins."
Seither sind die tschetschenischen Kämpfer neben der Söldnergruppe Wagner die erste Wahl bei militärischen Einsätzen. Sie werden immer wieder als Speerspitze in bewaffneten Konflikten der Russischen Föderation an vorderster Front eingesetzt. So auch 2014 bei der Annexion der Krim und der Besetzung der Ostukraine.
Als die russische Armee im Februar dieses Jahres – zunächst unter dem Vorwand, eine Militärübung abzuhalten – ihre Kräfte an der ukrainischen Grenze zusammenzog, waren Kadyrows Männer bereits vor Ort. Sie übernahmen die südliche Flanke und kämpften beim verlustreichen Häuserkampf in Mariupol gegen das berüchtigte Asow-Regiment.
Dabei machten sie auch vor risikoreichen Alleingängen nicht halt: Eine tschetschenische Kommando-Einheit versuchte nach Angaben der Ukrainer im März den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auszuschalten, scheiterte allerdings - angeblich, weil der russische Geheimdienst FSB die ukrainischen Behörden warnte. Offenbar war Kadyrows Vorhaben selbst den russischen Behörden zu riskant.
Militär-Influencer und Generaloberst
Seit Beginn der Offensive ist Ramsan Kadyrow nicht nur Staatschef, Militärführer und enger Vertrauter des russischen Präsidenten, er ist auch so etwas wie ein Chef-Kommentator der Ereignisse. Immer wieder veröffentlicht er auf seinem Telegram-Channel Sprachnachrichten und Videos, in denen er zuletzt vor allem die russische Militärführung kritisierte.
Zwar stehe er nach wie vor loyal zum russischen Präsidenten, wie die Russland-Expertin Sarah Pagung gegenüber unserer Redaktion erklärte, aber Kadyrow fällt immer wieder damit auf, gegen die zweite und dritte Reihe der Befehlskette auszuteilen. Jüngstes Ziel war der russische Generaloberst Alexander Lapin.
Auf Telegram forderte Kadyrow, dass Lapin, der für die Niederlage bei der strategisch wichtigen Stadt Lyman verantwortlich gemacht wurde, zum einfachen Soldaten degradiert werde. Weiter forderte Kadyrow, dass Lapin "barfuss und mit Kalaschnikow" an die Front geschickt werden sollte. Im selben Atemzug forderte er auch den Einsatz russischer Atomwaffen in der Ukraine. Ausserdem erklärte er, seine drei minderjährigen Söhne an die Front schicken zu wollen, und zwar an die "schwierigsten Abschnitte der Kontaktlinie", wie er auf Telegram erklärte.
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Russlands Präsident Putin reagierte auf die Loyalitätsbekundungen, indem er Kadyrow zum Generaloberst beförderte, dem dritthöchsten Rang der russischen Armee. Laut Militärexperte Carlo Masala bedeutet diese Beförderung aber nicht zwangsläufig, dass Kadyrow in die operative Planung des Ukraine-Krieges eingebunden wird. Vielmehr sei noch unklar, wie weit Kadyrows Einfluss auf die Militärführung und Putin gehe, wie er in seinem Podcast für den "Stern" erklärte.
Verwendete Quellen:
- Arte: Kadyrow der Schreckliche, ARTE 2018
- Podcast "Ukraine – Die Lage mit Carlo Masala". Folge: Masala kritisiert Selenskyjs Vorstoss zu Atomwaffen
- Ntv.de: Kadyrow haut auf Louis-Vuitton-Boxsack
- Interview von Kadyrow mit HBO, zitiert von WELT
- Spiegel.de: Der Risikofaktor
- Washingtonpost.com: Assassination plot against Zelensky foiled and unit sent to kill him ‘destroyed,’ Ukraine says
- FAZ.net: Beförderung von Putin für Tschetschenenführer Kadyrow
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