Die Türkei hat gute Drähte nach Moskau, ist aber auch ein wichtiger Partner für die Ukraine. Kiew und Ankara eint zudem die Sorge um eine bedrohte Volksgruppe.
Die Türkei hat sich bei einem Besuch von
In der Nacht zum Samstag griff Russland die Ukraine erneut mit Schwärmen von Kampfdrohnen iranischer Bauart an, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Luftalarm herrschte vor allem im Süden der Ukraine. In der Industriestadt Krywyj Rih seien Explosionen zu hören gewesen, berichtete das öffentlich-rechtliche ukrainische Fernsehen. Angaben zu möglichen Opfern und Schäden wurden nicht gemacht. Auf das Gebiet Charkiw im Osten schossen russische Flugzeuge Gleitbomben ab. Die grossangelegte russische Invasion in das Nachbarland dauert schon mehr als zwei Jahre. Am Samstag ist der 745. Kriegstag.
Ukrainische Drohnenangriffe in Russland
Die Ukraine griff ihrerseits Ziele auf russischem Gebiet mit Drohnen an. In der südrussischen Stadt Taganrog am Asowschen Meer wurde laut dem Gouverneur der Region Rostow in der Nacht zum Samstag ein massiver Drohnenangriff abgewehrt. Die Schäden am Boden würden noch erfasst, teilte Wassili Golubew am Morgen in seinem Telegram-Kanal mit. Vorläufigen Angaben zufolge habe es aber keine Todesopfer gegeben, schrieb Golubew weiter. Ein Mitarbeiter des Notfallministeriums, der an der Beseitigung der Folgen beteiligt war, sei verletzt ins Krankenhaus gebracht worden, es bestehe aber keine Lebensgefahr. Zudem habe die Luftverteidigung der Region Rostow einen weiteren Angriff auf die Stadt Morosowsk abgewehrt.
Im westrussischen Kursk hätten Trümmerteile einer abgefangenen Drohne unterdessen das Dach einer Poliklinik beschädigt, teilte der Kursker Gouverneur Roman Starowoit am Samstagmorgen bei Telegram mit. Verletzte gab es demnach nicht. Wegen der Gefahr einer Explosion seien jedoch die Patienten der Intensivstation im benachbarten Krankenhausgebäude in andere medizinische Einrichtungen in der Stadt gebracht worden. Das Personal und andere Patienten seien ebenfalls in Sicherheit gebracht worden. Die Angaben zu den verschiedenen Angriffen liessen sich nicht unabhängig prüfen.
Selenskyj will Friedensgipfel ohne Russen
Bei einer Pressekonferenz mit Erdogan legte Selenskyj Nachdruck auf seinen Friedensplan, der unter anderem einen vollständigen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine vorsieht. International soll dies auf einem möglichen Gipfel in der Schweiz beraten werden - aber zunächst ohne Beteiligung Russlands, wie der Ukrainer betonte. "Wir sehen nicht, auf welche Weise wir Leute einladen können, die alles blockieren, zerstören und umbringen." Es gehe bei dem Gipfeltreffen um einen gerechten Frieden für die Ukraine. "Daher werden zu Beginn die zivilisierten Länder der Welt einen detaillierten Plan ausarbeiten und ein Ergebnis erzielen." Erst danach sei ein Hinzuziehen von russischen Vertretern möglich, aber nur derjenigen, die einen solchen gerechten Frieden anstreben.
Die Türkei hatte schon nach Kriegsbeginn 2022 als Ort für Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gedient; es war jedoch kein Abkommen zustande gekommen. Erdogan bedauerte dies, bekräftigte aber die Bereitschaft zu einem neuen Anlauf. Der Krieg solle durch Verhandlungen beendet werden, sagte er. Der türkische Präsident pflegt auch einen engen Draht nach Moskau.
Sorge um verfolgte Krimtataren
Selenskyj bat um türkische Vermittlung für die Freilassung von in Russland inhaftierten Ukrainern. "Ich habe heute eine Liste unserer Bürger übergeben, darunter von Krimtataren aus den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten", sagte der ukrainische Präsident. Diese werden ihm zufolge in russischen Gefängnissen und Lagern unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Erdogan dankte Selenskyj für dessen Unterstützung der Krimtataren, die er einen "unverzichtbaren Teil" der Ukraine nannte. Ankara sieht sich traditionell als Schutzmacht für die muslimische Minderheit auf der 2014 von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel.
In Istanbul besichtigte Selenskyj auch eine Werft, auf der zwei Kriegsschiffe für die ukrainische Marine gebaut werden. Das neue Flaggschiff der Marine, die Korvette "Hetman Iwan Masepa", soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden.
Ukrainischer Aussenminister fordert mehr westliche Waffen
Im Abwehrkampf gegen Russland rief der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba die westlichen Partner zur umfassenden Lieferung von Waffen und Munition auf. "Die Strategie, der Ukraine tröpfchenweise Hilfe zuzuführen, funktioniert nicht mehr", sagte er nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus den baltischen Staaten und Frankreich in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Es sei eine neue Realität, dass die Ära des Friedens in Europa vorbei sei. "Um einen Sieg Russlands zu verhindern und endlich den Weg für den Sieg der Ukraine zu ebnen, können wir keine Form der Unterstützung ausschliessen", sagte Litauens Aussenminister Gabrielius Landsbergis als Gastgeber. "Wir müssen rote Linien für Russland ziehen, nicht für uns selbst." London bietet Unterstützung bei möglicher Taurus-Lieferung an
Der britische Aussenminister David Cameron hat Deutschland unterdessen Unterstützung angeboten, um eine eventuelle Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine zu ermöglichen. Auf die Frage, ob sein Land bereit wäre, die Probleme zu lösen, die einer Taurus-Lieferung entgegenstehen, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag): "Wir sind entschlossen, in dieser wie in allen anderen Fragen engstens mit unseren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten, um der Ukraine zu helfen". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine Lieferung des weitreichenden Waffensystems mit der Begründung abgelehnt, Deutschland könne "nicht tun, was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird".
Laut dem Blatt hält Cameron auch einen Ringtausch für möglich, bei dem Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Grossbritannien abgibt und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefert. "Wir sind bereit, uns alle Optionen anzuschauen, um den maximalen Effekt für die Ukraine zu erzielen", sagte Cameron demnach. (dpa/spl) © dpa
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