Moskau und Kiew haben erneut Kriegsgefangene ausgetauscht. Insgesamt rund 400 Menschen kehrten in ihre Heimatländer zurück. Unterdessen verändert sich die Lage an der Front nur minimal.
Die Ukraine und Russland haben trotz des kürzlich abgeschossenen russischen Transportflugzeugs jeweils rund 200 Kriegsgefangene ausgetauscht. Dabei stimmten die offiziellen Zahlen beider Seiten nicht ganz überein.
Während das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch einen Tausch von jeweils 195 Gefangenen bekannt gab, zeigte sich die ukrainische Seite erfreut über die Rückkehr von 207 Landsleuten aus russischer Gefangenschaft. "Auf die Heimaterde sind 207 unserer Leute zurückgekehrt!", schrieb der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinez am Mittwoch bei Telegram.
Dies sei der 50. Gefangenenaustausch dieser Art gewesen, teilt Lubinez weiter mit. Insgesamt seien 3.035 Ukrainer wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Vergangene Woche hatte Kiew mitgeteilt, dass die Leichen von 77 ukrainischen Soldaten in die Ukraine überführt worden seien.
Präsident Wolodymyr Selenskyj versprach im Onlinedienst X, dafür zu sorgen, dass alle gefangenen ukrainischen Soldaten und Zivilisten in ihre Heimat zurückkehren können.
Dem ukrainischen Koordinationsstab für Kriegsgefangenenbelange zufolge sind 95 Soldaten, 56 Nationalgardisten, 26 Grenzsoldaten, 29 Kämpfer der Gebietsverteidigung und ein Polizist nun wieder frei. Diese seien unter anderem bei der Verteidigung von Mariupol, Cherson und der Schlangeninsel in Gefangenschaft geraten.
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte den Austausch. Den Informationen aus Moskau zufolge wurden jedoch 195 russische gegen 195 ukrainische Soldaten ausgetauscht. Die Differenz in der Zahl wurde nicht erklärt.
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Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine russische Invasion ab. Ursprünglich war bereits am vergangenen Mittwoch ein Gefangenenaustausch geplant. An diesem Tag war jedoch ein Transportflugzeug der russischen Armee nahe der russischen Stadt Belgorod mutmasslich von der ukrainischen Flugabwehr abgeschossen worden. Moskau erklärte, dass 65 ukrainische Kriegsgefangene bei dem Absturz umgekommen seien. Kiew zog in der Folge in Zweifel, dass ukrainische Kriegsgefangene an Bord gewesen sein sollen, und forderte eine internationale Untersuchung des Vorfalls.
Putin will weiter Gefangene austauschen
Für Russland sei der Vorfall kein Grund, den Austausch von Kriegsgefangenen zu stoppen, sagte
Es könne sein, dass die Ukraine das Flugzeug versehentlich getroffen habe, sagte der Kremlchef. "Wenn das so ist, ist es ein Verbrechen aus Fahrlässigkeit." Er sprach von angeblichen Befunden, dass die Iljuschin mit dem US-Flugabwehrsystem Patriot abgeschossen worden sei. Deshalb bestehe auch Russland auf einer Untersuchung durch internationale Experten, sagte Putin. Er ruderte aber gleich wieder zurück: "Es gibt aber keine Organisationen, die das machen wollen", behauptete er.
Lage an der Front praktisch unverändert
Unterdessen geht der Stellungskrieg in der Ukraine praktisch unverändert weiter. Es gibt kaum Bewegung an der Front, die Linien verschieben sich nur minimal.
Putin meldete am Mittwoch die Einnahme von Positionen am Rand der erbittert umkämpften Frontstadt Awdijiwka im Osten der Ukraine. Russische Soldaten hätten dort 19 Häuser erobert und unter Kontrolle. In der vergangenen Woche hatte der Bürgermeister der Industriestadt gemeldet, dass russische Truppen erstmals in die Stadt eingedrungen seien. Sie seien dann aber wieder zurückgedrängt worden.
Moskau versucht seit Oktober, die Stadt in der Region Donezk einzukreisen, die vor Beginn der russischen Offensive rund 32.000 Einwohner zählte. Die Region Donezk ist eine von insgesamt vier Regionen, die der Kreml 2022 für annektiert erklärt hatte.
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Verletzte in der Ukraine nach russischen Drohnen- und Raketenangriffen – Attacke auf russische Ölraffinerie
Bei nächtlichen russischen Angriffen mit Drohnen und Raketen wurden unterdessen nach offiziellen Angaben mindestens vier Menschen in der Ukraine verletzt. Durch Drohnenbeschuss im Landkreis Snihuriwka sei ein Feuer in einem Lagerraum und in einem Geschäft ausgebrochen sowie ein Mann schwer verletzt worden, teilte der Militärgouverneur der südukrainischen Region Mykolajiw, Vitalij Kim, am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit.
In der nordostukrainischen Region Charkiw wurden laut Militärgouverneur Oleh Synjehubow drei Personen leicht verletzt. Insgesamt habe Russland in der Nacht das Land mit 20 Drohnen und drei ballistischen Raketen vom Typ Iskander beschossen, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. 14 Drohnen seien über den Regionen Charkiw, Dnipropetrowsk, Kirowohrad, Mykolajiw und Saporischschja abgeschossen worden.
Die Ukraine griff nach Angaben aus Kiew erneut eine Ölraffinerie auf russischem Staatsgebiet an. Dabei habe es sich um eine Aktion des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR gehandelt, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Geheimdienstkreisen. Das Ziel in St. Petersburg sei aus "militärischen Gründen" angegriffen worden, hiess es.
Die Meldung über den jüngsten ukrainischen Angriff folgt den Aussagen des Gouverneurs von St. Petersburg, wonach es eine laute Explosion auf einem Industriegelände ausserhalb der nordrussischen Stadt gegeben habe. Örtliche Medien berichteten, russische Luftabwehrsysteme hätten eine Drohne abgeschossen, die in ein Öllager im St. Petersburger Bezirk Newsky abgestürzt sei. Der Flughafen Pulkowo in St. Petersburg nahm eigenen Angaben zufolge nach nicht genauer beschriebenen Störungen in der Nacht am Mittwochmorgen den regulären Flugverkehr wieder auf.
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert inzwischen fast zwei Jahre an. Kiew hat in den vergangenen zwei Monaten vermehrt russische Öl- und Gasanlagen angegriffen und spricht in dem Zusammenhang von Vergeltungsmassnahmen für russische Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur.
Sowohl Russland als auch die Ukraine benutzen mit Sprengstoff beladene Drohnen, um Ziele weit hinter der Front ins Visier zu nehmen. Die Streitkräfte beider Länder melden zudem regelmässig den Abschuss feindlicher Geräte. Durch den Beschuss werden immer wieder auch Zivilisten verwundet oder getötet. (dpa/AFP/ank)
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