Deutschland will die Militärhilfe für die Ukraine aus dem Bundeshaushalt zurückfahren und setzt auf eine neue Finanzierungsquelle: Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen. Doch bei den Details hakt es noch.

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Rund 7,5 Milliarden Euro für Militärhilfen an die Ukraine hat die Bundesregierung in diesem Jahr eingeplant. Im Haushalt für 2025 sind bisher vier Milliarden Euro vorgesehen – doch ob dieser Betrag reicht, ist fraglich. Am Wochenende sorgte daher die Meldung für Aufsehen, Deutschland fahre die Militärhilfe an die Ukraine massiv zurück. Mehr sei angesichts der Sparpolitik nicht möglich.

Auslöser war ein Brief von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne), über den die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete: Darin schreibt Lindner: Neue Massnahmen mit Zahlungsverpflichtungen seien nur möglich, "wenn in den Haushaltsplänen eine Finanzierung gesichert ist". Später dann die Relativierung. Man könne kurzfristig prüfen, ob zusätzliches Geld möglich sei. Allerdings müsse der Bedarf "konkret gemeldet und nachvollziehbar sein", damit man den Bundestag um weitere Mittel bitten könne.

Deutschland will weiter die Ukraine unterstützen

Dreht die Bundesregierung der Ukraine den Geldhahn zu? In Berlin versuchte man schnell, diesen Eindruck zu zerstreuen. Deutschland habe seine Unterstützung versprochen und dieses Versprechen wackle "überhaupt nicht", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Sat.1-Interview am Dienstagabend. Das betonte auch sein Parteikollege und Haushaltspolitiker Dennis Rohde auf "Tagesschau.de": "Wir sind weiterhin der grösste Unterstützer in Europa für die Ukraine. Wir sind auch bei der Militärhilfe der grösste Unterstützer. Und das wollen und werden wir auch bleiben."

Die Erklärung der Bundesregierung: Sie will die Ukraine gemeinsam mit anderen Staaten in Zukunft stärker aus einer anderen Geldquelle unterstützen. Beschlossen wurde sie beim Treffen der G7-Staaten im vergangenen Juni. Die westlichen Staaten haben seit dem russischen Angriff auf die Ukraine rund 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro) an russischen Zentralbankgeldern eingefroren. Bei konservativer Schätzung könnte dieses Geld rund 2,5 bis 3 Milliarden Euro an Zinsen abwerfen, heisst es in der "FAZ". Dieser Betrag soll in Zukunft der Ukraine zugutekommen.

Russisches Geld soll der Ukraine zugutekommen

Konkret heisst das: Die grossen westlichen Wirtschaftsmächte planen, der Ukraine einen Kredit über 50 Milliarden US-Dollar zu gewähren. Damit könnte sich das Land dann selbst mit dem Nötigsten versorgen. Die Zinsen des Kredits sowie die Tilgung sollen durch die Zinsen des angelegten russischen Geldes beglichen werden.

Noch gibt es aber keinen konkreten Fahrplan, wann dieser Kredit an die Ukraine vergeben werden kann. Selbst in der Bundesregierung äussert man sich verhalten zu dem Thema. "Es wird eine neue Finanzierung – ich sage mal wohl und wahrscheinlich – geben", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Die Ukraine bekomme dann nicht Waffen geschenkt, sondern sie bekomme Geld und könne sich damit Waffen kaufen. Das sei völlig in Ordnung, der Übergang dürfe aber nicht zu einer monatelangen Unterbrechung der Unterstützung führen, warnte er.

Allerdings sind viele Fragen noch nicht geklärt. Etwa die Frage, wer für den Kredit aufkommt. Welches Land es am Ende auch ist, es würde ein grosses Loch in den jeweiligen Haushalt reissen. Europa sähe es gerne, wenn die USA den Kredit vergäben. In Brüssel lockt man mit Garantien. Die Amerikaner bleiben jedoch zurückhaltend. Nicht nur schwindet auch dort der Wille zur Unterstützung der Ukraine. Laut "FAZ" macht man sich in Washington auch Sorgen um ein Ausscheren einzelner EU-Staaten wie Ungarn.

Ein gemeinsamer Kredit der EU-Länder stösst bei den Beteiligten ebenfalls auf wenig Gegenliebe. Besonders Deutschland soll diese Variante gar nicht gefallen haben. Grund dürfte auch hier wieder der knappe Haushalt gewesen sein.

Verwendung russischen Geldes wirft völkerrechtliche Fragen auf

Einen weiteren Vorschlag brachte die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen beim G7-Treffen der Finanzminister im italienischen Stresa im Mai ein. Sie schlug vor, für den Kredit das eingefrorene, russische Geld selbst zu verwenden. Das dürfte jedoch völkerrechtlich auf wackeligen Beinen stehen. Schon die Verwendung der erwirtschafteten Zinsen dieses Geldes bewegt sich in einer völkerrechtlichen Grauzone.

Ein weiteres Problem könnte der Kredit selbst sein. Noch ist völlig unklar, auf wie viele Jahre er ausgelegt werden soll und zu welchem Zins. Das könnte spätestens dann zum Problem werden, sollte der Krieg in der Ukraine enden. Darf das russische Vermögen über die Beendigung der Sanktionen hinaus weiter eingefroren bleiben? Wenn das nicht der Fall ist, wer würde dann für einen Ausfall haften? Viele Details, die noch ungeklärt sind und eine Umsetzung verzögern.

Den Eiertanz um das russische Vermögen der G7-Staaten hält der Finanzexperte und Forscher des German Marshall Funds, Jacob Kirkegaard, für unnötig. "Ich schätze, dass die Regierungen früher oder später auf das gesamte russische Vermögen zugreifen", sagt er der "FAZ". Er sieht keine Bedenken in Bezug auf das Völkerrecht. Russland habe die Ukraine angegriffen, somit würden dem Land nach dem Krieg ohnehin Reparationszahlung zustehen. Weiter heisst es, die Sorge, dass künftig auch andere Länder ausländisches Vermögen beschlagnahmen könnten, sei übertrieben. "Ich glaube, dass die G7 letztlich auch ein Signal an China aussenden wollen."

China hat noch viel mehr Vermögen im Ausland deponiert als Russland. Das könnte ebenfalls eingefroren werden, sollte sich das Land entschliessen, das benachbarte Taiwan anzugreifen. Würden die G7 also das eingefrorene, russische Geld jetzt verwenden, würde das auch ein deutliches Signal an China senden.

Verwendete Quellen:

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