Sonne, mildes Klima, guter Wein: Die Krim war in der Vergangenheit Ziel zahlreicher Touristen. Und das war auch bitter nötig, denn von den über zwei Millionen Bewohnern der Schwarzmeerhalbinsel leben die meisten von Landwirtschaft und Tourismus. Zumindest bislang. Seitdem Russland die Krim vor einem Jahr annektiert hat, sind deutlich weniger Besucher auf der Halbinsel zu verzeichnen. Was sich auch in der Lohntüte der Einheimischen bemerkbar macht.

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Laut dem Statistischen Amt der Ukraine lag das monatliche Durchschnittseinkommen auf der Krim mit etwas über 240 Euro deutlich unter dem nationalen ukrainischen Mittelwert von 275 Euro im Jahr 2012. In Russland beträgt das Durchschnittseinkommen nach der Abwertung des Rubels umgerechnet zwischen 600 und 700 Euro.

Mit anderen Worten: Die Halbinsel ist alleine angesichts der zu zahlenden Sozialleistungen für Russland eine grosse finanzielle Belastung. Für Wladimir Putin aber anscheinend kein Problem. Bereits kurz nach der Annexion hat er die Krim zur Sonderwirtschaftszone erklärt, um Investoren anzulocken. Steuererleichterungen und der Abbau bürokratischer Hürden sollen es richten.

Von Kiew vernachlässigt

Bis es soweit ist, muss der Kreml-Chef selbst Geld in die Hand nehmen. Wieviel ist unklar. Auch was bisher ausgegeben wurde, darüber lässt sich nur spekulieren. Sicher ist: Es wird teuer. Wasser- und Elektrizitätsleitungen, Bahnstrecken, Strassen und Häfen sind teilweise seit Jahrzehnten nicht saniert worden. "Ich war in den 1990ern für einen Sprachkurs dort. Da war es wie in der Dritten Welt", erinnert sich Peter W. Schulze, Honorarprofessor an der Uni Göttingen.

Eine Billion Rubel, umgerechnet etwa 22 Milliarden Euro, will Putin bis 2020 in den Aufbau der Krim stecken. Eine laut Schulze viel zu niedrig angesetzte Summe. "Das sind vier Milliarden pro Jahr. Das ist lächerlich." Der Krim wieder auf die Beine zu helfen, werde wesentlich mehr kosten. Schulze verweist auf die exorbitanten Kosten, die etwa Griechenland in den letzten Jahren angehäuft hat.

Dennoch glaubt Schulze, dass eine Unterstützung durch ein wirtschaftlich geschwächtes Russland machbar sei – auch weil es keine Alternative gebe. "Die Krim braucht die Transferleistungen und Subventionen aus Moskau."

Kein Landweg nach Russland

Kiew hat die Versorgung der der Krim mit Trinkwasser, Strom und Gas längst gekappt. Diesel-Notstromaggregate finden sich auf der Halbinsel zuhauf. Sämtliche Waren werden kostspielig und aufwendig per Fähre oder Flugzeug importiert: Es fehlt an einem Landweg zum russischen Festland.

Ob der von Regierungschef Dmitri Medwedjew angekündigte Bau einer Brücke über die Strasse von Kertsch – der Meerenge, die das Schwarze mit dem Asowschen Meer verbindet – tatsächlich realisiert wird, ist unklar. Damit würde der russische Staatshaushalt um weitere hunderte Millionen Euro belastet. Genau beziffern lassen sich die Kosten angesichts der grassierenden Korruption kaum. In jedem Fall würden die gleichen Oligarchen dafür den Zuschlag bekommen, die schon in Sotschi zum Zug kamen, glaubt Alexandr Burilkov vom Hamburger Forschungsinstitut Giga.

Zuletzt hat die Ukraine mehr als 2,2 Milliarden Euro pro Jahr in die strukturschwache Halbinsel investiert. Zwar verfügt die Krim über geschätzt 66 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven an der Küste – an diese heranzukommen, ist jedoch ein ebenso schwieriges wie gefährliches Unterfangen.

Aushängeschild gen Westen

Die Hoffnung der überwiegend russischen Bevölkerung der Krim auf höhere Löhne und Sozialleistungen hat sich bislang nicht erfüllt. Im Gegenteil, seit dem Übergang zum Rubel als einziges Zahlungsmittel haben sich die Preise erhöht. Im öffentlichen Nahverkehr um etwa 20 Prozent.

Russland wiederum leidet selbst: Insbesondere unter den Wirtschaftssanktionen des Westens. Der abgesunkene Ölpreis tut sein Übriges. Trotzdem wird Putin in die Krim investieren, um aus ihr ein "Schaufenster" machen, glaubt Professor Schulze. Das Ziel: den Ukrainern zeigen, wie gut es ihnen im Schosse von Mütterchen Russland gehen könnte.

Dass sich Putin auch den Osten der Ukraine unter den Nagel reissen könnte, ist dagegen mehr als unwahrscheinlich. Zwar verfügt Russland über grosse Finanzreserven – doch die Ostukraine einzunehmen, ist derzeit unbezahlbar. Auch kommt ein Solidaritätsfonds, wie er für die DDR eingerichtet wurde, nicht in Frage. Dafür fehlt es an der nötigen Unterstützung in der russischen Bevölkerung, obgleich diese Putin momentan noch mehr als gut gewogen ist. Zuletzt lagen seine Beliebtheitswerte einer Umfrage zufolge bei 80 Prozent.

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