- Wolodymyr Selenskyj war Schauspieler, Komiker und Kabarettist, bevor er im Jahr 2019 zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde.
- Der 44-Jährige, der vor seiner Wahl keinerlei politische Erfahrung gesammelt hatte, mausert sich derzeit zum widerstandsfähigen Anführer seiner Nation.
- Wer ist Putins Staatsfeind Nr. 1? Wolodymyr Selenskyj im Portrait.
Der ukrainische Präsident
"Wir sind alle hier, unser Militär ist hier, die Bürger der Gesellschaft sind hier. Wir alle sind hier und verteidigen unsere Unabhängigkeit, unser Land, und das wird auch so bleiben. Ruhm für unsere Verteidiger, Ruhm für unsere Verteidigerinnen", so der Präsident.
Das ist umso bemerkenswerter und ringt vielen Menschen Respekt ab, als nicht nur Selenskyj selbst in Gefahr ist: "Ich bleibe in der Hauptstadt, meine Familie ist auch in der Ukraine. Wo genau sie sind, darf ich nicht sagen. Nach unseren Informationen hat der Feind mich als Ziel Nummer eins ausgemacht. Und meine Familie als das Ziel Nummer zwei", so der ukrainische Präsident in einer Ansprache an die Nation von Freitagnacht (25.02.2022). Russland wolle der Ukraine politisch schaden, indem es das Staatsoberhaupt ausschalte.
Wolodymyr Selenskyj: Vom Komiker zum Staatschef
Die Rolle des mutigen Verteidigers und Anführers im Krieg ist eine, die der 44-Jährige so bislang noch nicht gespielt hat. Er ist im Süden der damals noch zur Sowjetunion gehörenden Ukraine am 25. Januar 1978 in einer jüdischen, russischsprachigen Familie geboren. Er studiert Jura in Kiew, arbeitet dann aber nicht als Jurist, sondern gründet im Jahr 1997 eine Kabarettgruppe, mit der er einige Jahre durch Russland und weitere Staaten der Sowjetunion tourt.
Ausserdem arbeitet er als Schauspieler, Synchronsprecher, Drehbuchautor und wird später auch auf sozialen Medien bekannt. Kein Wunder, dass nicht nur in der Ukraine die Überraschung gross war, als Selenskyj im Jahr 2019 zum Präsidenten der Ukraine gewählt wird – ohne jegliche politische Erfahrung vorzuweisen.
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Wolodymyr Selenskyj: Skurriler Aufstieg wie in einer Fernsehserie
Seine grosse Bekanntheit in der Ukraine erlangt Selenskyj in der Rolle eines Geschichtslehrers, der überraschend Präsident wird. Die in der ganzen Ukraine gern gesehene Serie hiess "Diener des Volkes" und ist eine Parodie auf die Politik der Ukraine. Seine Partei benennt Selenskyj im realen Leben dann kurzerhand nach der Serie: "Sluha Narodu".
Sein Wahlprogramm bleibt vage und nebulös, doch es gelingt ihm durch eine clevere Nutzung der sozialen Medien vor allem bei den jüngeren Wählern Beliebtheit zu erlangen. Dabei gereicht ihm auch die zunehmende Unzufriedenheit mit dem damaligen Präsidenten Petro Poroschenko zum Vorteil, von dem er sich durch eine grundsätzlich liberale Ausrichtung stark abgrenzt. Das vage Wahlprogramm lässt dabei die Projektion verschiedener Wünsche auf den Präsidenten zu.
So teilten auch die EU und die USA die Hoffnungen vieler Ukrainer: Selenskyj gilt damals als Mann, der eine liberale Reformpolitik möglich machen könnte. Und er trifft sich gleich nach seiner Wahl mit Wladimir Putin in Paris zu einem Gespräch.
Vom Komiker zum Präsidenten: Selenskyj wird international gefeiert
Doch der Schritt vom Komiker zum Politiker war nur der Anfang. Wie sich Selenskyj seit dem russischen Angriff auf die Ukraine verhalten hat, bringt ihm den Respekt und die Bewunderung der internationalen Presse ein. Der Economist titelt: "Wie Wolodymyr Selenskyj sein Gebrüll fand. Ein Mann, der einst die Nation unterhielt, ist zu ihrer Stimme geworden." CNN bezeichnet ihn als "trotzigen Kriegsführer" und die italienische La Repubblica titelt: "Selenskyj und der Kriegserfolg via Social Media: Ein Held ist geboren."
Gerade im Kontrast zum russischen Präsidenten
Selenskyj: "Wenn ihr uns angreift, werdet ihr unsere Gesichter sehen müssen"
Nur wenige Stunden vor der russischen Invasion am Donnerstag (24.02.2022) postet Selenskyj ein Video auf Social Media, in dem er sich teilweise auf Russisch direkt an die russische Bevölkerung richtet und erklärt, er habe versucht, Putin zu erreichen – jedoch ohne Erfolg. Es brauche "keinen Kalten Krieg, keinen heissen Krieg, keinen hybriden Krieg." Doch sollte die Ukraine angegriffen werden, werde man sich verteidigen: "Wenn ihr uns angreift, werdet ihr unsere Gesichter sehen müssen."
Er appelliert an die Gemeinsamkeiten der beiden Staaten und prangert die Lügen des russischen Regimes an: "Man erzählt Ihnen, die Ukraine könnte eine Gefahr für Russland darstellen. Aber das war nie der Fall, nicht in der Vergangenheit, auch nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft."
Und er wendet sich direkt an die russischen Staatsbürger: "Wer wird unter dem Krieg am meisten leiden? Die Menschen. Wer will das nicht? Menschen. Wer kann das verhindern? Menschen. Gibt es solche Menschen unter Ihnen? Ich bin sicher." Es sollte nicht das letzte Video Selenskyjs bleiben.
Putins Krieg gegen die Ukraine: Selenskyj sendet Durchhalteparolen via Soziale Medien
Am dritten Kriegsmorgen folgt dann ein Selfie-Video auf Twitter vor einem Gebäude in Kiew. "Guten Morgen an alle", beginnt Selenskyj und versucht ein Lächeln. Und er wendet sich mit einer Durchhalteparole an die Ukrainerinnen und Ukrainer.
"Weil schon so viel Fakes im Umlauf sind, dass ich unsere Armee angewiesen hätte, sich zu ergeben – es ist so: Ich bin hier, wir legen die Waffen nicht nieder, wir werden unsere Verteidigung fortsetzen", so der Präsident. Das Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit Selenskyjs ringen umso mehr Respekt ab, als auch international die Bedrohung, der der Präsident selbst ausgesetzt ist, als besonders hoch klassifiziert wird.
Deutschland: "Wäre naiv zu sagen, dass er sich nicht in Gefahr befindet"
Der Regierungssprecher der Ampelkoalition,
Doch der zweifache Vater, der seit über dreissig Jahren mit der Architektin Olena Selenska liiert und seit 2003 verheiratet ist, denkt nicht daran, sein Land zu verlassen. Er signalisiert Entschlossenheit und Standhaftigkeit, bei der sich so mancher fragt, wie viel davon echt, und wie viel geschauspielert ist. Der österreichische Bundeskanzler
"Der ukrainische Präsident hat mit den Worten begonnen, er meldet sich aus einem Land, wo er nicht mehr weiss, wie lange es besteht, und er meldet sich als Präsident, ohne zu wissen, wie lange er noch am Leben ist", erzählt Nehammer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
Ukraine wendet sich an Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen
Während sich die Berichte über die Entwicklungen in der Ukraine überschlagen und Informationssicherheit ein rares Gut bleibt, versucht Selenskyj den Kontakt zu seinem Volk und zur Aussenwelt über die sozialen Medien aufrechtzuerhalten und Informationen zu ordnen.
Auf Twitter postet er regelmässig Updates zu geführten Gesprächen. So berichtet er zuletzt von einem Gespräch mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und von Unterhaltungen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda.
Und auch die Schritte, die die Ukraine bei internationalen Institutionen geht, postet Selenskyj auf Twitter. So habe die Ukraine einen Antrag gegen Russland beim Internationen Gerichtshof eingereicht. Dieser ist das Hauptrechtssprechungsorgan der Vereinten Nationen und hat seinen Sitz in Den Haag. Beim Antrag der Ukraine geht es um den Begriff des "Völkermords". Russland hatte seine Invasion unter anderem mit einem erfundenen Völkermord an Russen in der Ukraine gerechtfertigt.
Ukraine fordert: Russland muss zur Rechenschaft gezogen werden
"Russland muss für die Manipulation des Begriffs 'Völkermord' zur Rechtfertigung einer Aggression zur Rechenschaft gezogen werden," fordert Selenskyj. Man erwarte eine baldige Entscheidung und Anweisung an Russland, seine militärischen Aktivitäten einzustellen.
In der offiziellen Pressemitteilung des Internationalen Gerichtshofs heisst es dazu weiter, die Ukraine erkläre, dass "die Russische Föderation fälschlicherweise behauptet, dass in den Gebieten Luhansk und Donezk ein Völkermord stattgefunden hat." Diese Anschuldigung weise die Ukraine von sich und werfe dagegen Russland im Gegenzug vor, einen Genozid in der Ukraine zu planen, und prangere die "die vorsätzliche Tötung und schwere Verletzung von Angehörigen der ukrainischen Nationalität" an.
Selenskyj war für Frieden angetreten – jetzt ist er Oberbefehlshaber
Die derzeitige Invasion Russlands lässt dabei schnell vergessen, dass in Teilen der Ukraine – in Donezk und Luhansk – seit dem Jahr 2014 nie Frieden herrschte. Der ehemalige Komiker Selenskyj war deshalb im Wahlkampf vor allem mit dem Versprechen angetreten, für Frieden in der Ukraine zu sorgen.
Die Regionen Luhansk und Donezk, die Putin mittlerweile als abtrünnige Republiken offiziell anerkannt hat, wollte Selenskyj unter anderem mit ukrainischen Rentenauszahlungen gewinnen. Und auch die Korruptionsbekämpfung war ein grosses Thema.
Doch zur Hälfte seiner Amtszeit war vom frischen Wind und der Begeisterung für den 44-Jährigen nicht mehr viel übrig. Die Korruptionsbekämpfung kam nicht richtig voran, die Entlassung des obersten Verfassungsrichters im Jahr 2021 wurde kritisiert und Frieden stellte sich nicht ein.
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Im Angesicht der Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen auf das ganze Land ist das nun alles vergessen. Der Mann, der mit dem Anspruch angetreten war, Frieden zu schaffen und dafür auch das Gespräch mit Putin suchte, ist jetzt der oberste Verteidiger und Oberbefehlshaber seines Landes. Und der zentrale Gegenspieler Putins.
Verwendete Quellen:
- AFP
- bundeskanzler.de: Regierungspressekonferenz vom 25. Februar 2022
- economist.com: How Volodymyr Zelensky found his roar
- cnn.com: How Ukraine's Volodymyr Zelensky went from an actor playing president on TV to defiant wartime leader
- icj-cij.org: Press Release No. 2022/4; 27. February 2022
- republicca.it: Zelensky e il successo della guerra via social: è nato un eroe
- Twitteraccount von Selenskyj
- youtube.com: Angriff auf Ukraine: Statement Präsident Wolodymyr Selenskyj 24.02.2022 (mit deutscher Übersetzung)
- youtube.com: Pressekonferenz nach dem Treffen mit Österreichs Bundeskanzler Nehammer (24.02.2022) - Bayern
- youtube.com: Selenskyj zeigt sich mit Mitarbeitern vor Präsidentenpalast in Kiew I AFP (mit deutschen Untertiteln)
- youtube.com: Ukraine president Zelensky says Russia has marked him ‘as target No. 1‘ and his family ‘No. 2‘
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