Die Ukraine und USA haben eine 30-tägige Waffenruhe ausgearbeitet. Russland lehnt diesen vorerst ab und fordert eine langfristige Lösung. Aber was sind die Motive der verschiedenen Interessensgruppen? Was ist der Unterschied zu einem Waffenstillstand?
Dass der Weg zu einer Waffenruhe noch weit ist, zeigte sich bereits in den Verhandlungen. Während die Unterhändler aus der Ukraine und den USA in ihren Hotelzimmern in der saudi-arabischen Stadt Dschidda – dem Ort der Verhandlungen – schliefen, schickte Russland dutzende Drohnen in Richtung Ukraine. Mindestens eine Iskander-Rakete traf zivile Ziele in der Stadt Odessa. Auch die Ukrainer hielten mit ihren Angriffen nicht zurück: Schätzungen zufolge setzten sie mehr als 300 mit Bomben bestückte Drohnen gegen Ziele rund um Moskau ein. Der Krieg, er geht auch während der Verhandlungen über eine Waffenruhe unvermindert weiter.
Insgesamt bleibt die Lage, insbesondere für die ukrainische Seite, kritisch. In der Region Kursk sollen russische Truppen zuletzt erhebliche Fortschritte erzielt und die Kreisstadt Sudscha eingenommen haben, die ein wichtiger Brückenkopf der ukrainischen Streitkräfte ist. Der Erfolg wurde nicht nur in den sozialen Netzwerken propagandistisch ausgeschlachtet. Nach der Eroberung der Stadt zeigte sich auch Präsident Wladimir Putin erstmals seit längerer Zeit wieder an der Front.
Insgesamt hat Russland gerade ein Momentum, reiht sich der Verlust von Sudscha ein in eine Serie militärischer Rückschläge für die Ukraine. So haben russische Truppen seit Jahresbeginn rund 400 Quadratkilometer allein im Gebiet Donezk erobert und auch die Verteidigung im Donbass gerät zunehmend unter Druck. Gleichzeitig wird es für die ukrainischen Streitkräfte immer schwieriger, ihre Verluste an gut ausgebildeten Soldaten und militärischem Material, also Panzer, Artillerie und Vorräte, zu ersetzen.
Was sieht die Waffenruhe vor?
Nach den Gesprächen in Saudi-Arabien verkündeten Vertreter der USA und der Ukraine am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung die Bereitschaft Kiews zu einer 30-tägigen Feuerpause. Das kurze Statement ist vor allem von gegenseitigen Freundlichkeiten geprägt – für den Mut des ukrainischen Volkes etwa oder die tiefe Dankbarkeit der Ukraine gegenüber
Inhaltlich bleibt das Papier allerdings vage. Lediglich in zwei Punkten wird es konkret: Darunter der Zustimmung der Ukraine zu der Feuerpause, zum anderen der Bereitschaft der USA, der Ukraine wieder Geheimdienstinformationen und Waffen bereitzustellen. Zudem heisst es in der Erklärung, dass eine Verlängerung der Feuerpause im gegenseitigen Einvernehmen mit Russland möglich sei.
Genauere Rahmenbedingungen bleiben jedoch offen. Unklar ist insbesondere, ob die Feuerpause entlang der gesamten Front gelten soll oder nur in bestimmten Gebieten. Auch bleibt die Frage unbeantwortet, wer die Einhaltung kontrolliert, welche Sanktionen bei Verstössen drohen und wie mit bereits annektierten Gebieten verfahren wird.
Wie steht Russland zu dem Vorschlag?
Eine Waffenruhe kann nur zustande kommen, wenn Russland zustimmt – und eine solche Zusage gibt es bislang nicht. Kremlsprecher Peskow erklärte zwar unmittelbar nach der Bekanntgabe des Vorschlags, man werde ihn sorgfältig prüfen. Putins Chefdiplomat Sergej Lawrow sagte hingegen, er sehe kaum Spielraum für Kompromisse, Russland werde an seinen Maximalforderungen festhalten.
Auf Lawrows Linie schwenkte am Donnerstagvormittag auch der russische Präsidentenberater Juri Uschakow ab, der die Waffenruhe als "Atempause" für die Ukraine kritisierte. Dies habe er auch dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Mike Waltz, in einem Telefonat erläutert, zitierte die russische staatliche Nachrichtenagentur Tass aus einem Interview. Der amerikanische Vorschlag wirke überstürzt und ziele nicht auf eine "langfristige friedliche Lösung" ab. Als finale Ablehnung einer Waffenruhe ist das jedoch nicht unbedingt zu verstehen. Von Anfang an war klar, dass Russland die amerikanisch-ukrainischen Bedingungen nicht eins zu eins übernehmen würde. Vielmehr dürften sie der Anker sein, mit dem Russland in die Verhandlungen über eine Feuerpause geht.
Vieles deutet darauf hin, dass eine mögliche Einigung direkte Gespräche zwischen Trump und
Die Weltöffentlichkeit blickt daher auf ein Treffen von Putin mit dem weissrussischen Diktator Lukaschenko. Bei diesem wird Putin eine Erklärung abgeben, die möglicherweise auch die russische Position zur Waffenruhe thematisiert.
Welche Motive stecken hinter der Waffenruhe?
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump hat sich die US-Politik in Bezug auf den Ukraine-Krieg deutlich verschoben. Während die Regierung von Joe Biden auf eine Niederlage Russlands hingearbeitet hat, verfolgt Trump vorrangig das Ziel eines schnellen Kriegsendes – selbst, wenn dies massive Verluste auf ukrainischer Seite bedeutet. Gleichzeitig steht die US-Regierung unter innenpolitischem Druck, Trumps Wahlversprechen von einer schnellen Konfliktlösung einzulösen und die finanziellen Belastungen durch die Ukraine-Hilfe zu reduzieren. Andererseits will Washington verhindern, dass Russland gestärkt aus dem Konflikt hervorgeht und sich die globale Machtbalance zugunsten Moskaus verschiebt.
Für die Ukraine ist die Lage hingegen zunehmend prekär. Angesichts fortschreitender Gebietsverluste und knapper werdender Ressourcen ist sie ohne die Unterstützung der USA – insbesondere in Form von Geheimdienstinformationen und Waffenlieferungen – kaum kampffähig. Einer durch die USA forcierten Waffenruhe kann sie sich also kaum verschliessen. Ein solcher könnte aber auch mit strategischen Vorteilen für Kiew verbunden sein. So würde eine Pause bei den Kampfhandlungen Zeit für Verhandlungen über langfristige Sicherheitsgarantien mit den westlichen Partnern schaffen, die ukrainischen Streitkräfte könnten sich reorganisieren und für eine mögliche Fortsetzung der Kämpfe rüsten. Zudem könnte ein sich daraus entwickelnder Waffenstillstand ein erster Schritt zu ernsthaften Friedensgesprächen seien.
Dieser strategische Vorteil aus ukrainischer Sicht könnte gleichsam ein Grund dafür sein, warum Russland bislang mit Gleichgültigkeit auf den Vorschlag reagiert. Zwar könnten auch die Russen eine Feuerpause dazu nutzen, sich neu zu formieren. Laut einer Analyse des Institute for the Study of War setzt Moskau aber vielmehr darauf, dass mit einem Fortschreiten der Kampfhandlungen die westliche Unterstützung für die Ukraine weiter erodiert. Die Studie verweist dabei auf ein internes Papier des russischen Geheimdienstes FSB, der keine Friedenslösung vor dem Jahr 2026 erwartet. Russland betrachtet demnach eine Waffenruhe eher als strategisches Manöver des Westens, um der Ukraine Zeit für eine neue Aufrüstung zu verschaffen. Diese Sichtweise wurde zuletzt auch nochmals durch den Kommentar von Präsidentenberater Uschakow verstärkt. Ob es daher zu einer Zustimmung Russlands kommt und wenn ja, unter welchen Bedingungen, ist offen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Waffenstillstand und einer Waffenruhe?
Beide Begriffe werden oft synonym verwendet – doch es gibt wichtige Unterschiede. Eine Waffenruhe bezeichnet in der Regel eine informelle Absprache zwischen den Konfliktparteien über eine vorübergehende Unterbrechung der Kampfhandlungen. Sie kann sich auf kurze Zeiträume oder konkrete Gebiete beschränken und dabei auch einem bestimmten Zweck dienen: Etwa, um Zivilisten zu evakuieren oder humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Ein echter Waffenstillstand ist das noch nicht – sie kann aber in einem solchen münden.
Der Waffenstillstand wiederum ist völkerrechtlich definiert und findet sich in der Haager Landkriegsordnung (HLKO), einer Art Regelwerk für den Krieg. In Kapitel 5 der HLKO heisst es: "Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien." Ein Waffenstillstand unterliegt somit bestimmten Regeln und kann eine entscheidende Vorstufe zu einem echten Friedensvertrag darstellen.
Verwendete Quellen
- US Department of State: Joint Statement on the United States-Ukraine Meeting in Jeddah
- ISW-Institue: Russian Offensive Campaign Assessment, March 12, 2025
- Haager Landkriegsordnung
- Newsweek: Russia Responds to Ukraine-US Ceasefire Agreement