Mit dem Verbot von Facebook und Instagram können in Russland Informationen über das Vorgehen der russischen Streitkräfte in der Ukraine kontrolliert werden. Das ist ein Schlag gegen die Informationsfreiheit, der mit einer Abkehr von europäischen Menschenrechten verbunden ist.
Die Informationspolitik Russlands unterscheidet sich fundamental von der nach europäischem Recht. Mit dem Ausscheiden Russlands aus dem Europarat hat sich dort auch das Recht geändert. Das Land ist nicht mehr an die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gebunden und damit zumindest aus diesem Abkommen nicht mehr auf die Wahrung der dort gewährten Menschenrechte verpflichtet.
Die EMRK ermöglichte es Bürgern, Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg wegen einer Verletzung der Rechte der EMRK zu verklagen. Diese wichtige Klagemöglichkeit ist weggefallen. Anhängige Verfahren gegen Russland sind suspendiert.
Russland ist aus europäischem Menschenrechtspakt ausgetreten
Art. 10 EMRK gewährt das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dazu zählt es ausdrücklich auch, Informationen ohne staatliche Eingriffe innerstaatlich und über Staatsgrenzen hinweg zu empfangen und weiterzuverbreiten.
Meinungsfreiheit für Russland nicht mehr bindend
Das Abkommen mit seiner Verpflichtung auf die Meinungsfreiheit wirkt nun gegenüber Russland nicht mehr. Europarechtlich hat sich der Kreml damit das Recht verschafft, Informationsflüsse staatlich zu steuern. Der staatsfreie ungehemmte Fluss der Informationen, wie ihn die wesentlichen Demokratien gewährleisten müssen, ist damit für Russland offiziell nicht mehr bindend.
Freier Informationsfluss oder Abschottung: Das Völkerrecht ist neutral
Die Staaten der Welt entscheiden grundsätzlich selbst, wie sie mit Informationen umgehen. Nach dem Prinzip des "free flow of information" der westlichen Staaten müssen Information über die Staatsgrenzen hinweg frei auch von staatlicher Einflussnahmen und ungehemmt fliessen. Die Meinungsfreiheit ist eine essentielle Voraussetzung der Demokratie.
So sehen es auch die Mitglieder des Europarats. Diese Freiheit und deren Ausformungen sind aber nicht völkerrechtlich vorgeschrieben. Es gibt eine Vielzahl von Staaten, die sich vorbehalten, auf Informationsflüsse auf ihrem Gebiet Einfluss zu nehmen, oder sie gar zu steuern und Medien im Sinne staatlicher Interessen zu regulieren. Das Prinzip nennen Völkerrechtler "prior consent".
Kein objektiv richtiges System
Man kennt das mit Blick auf die Behandlung sozialer Netzwerke etwa auch in China. Auch Donald Trump wollte Twitter zu Ende seiner Amtszeit verbieten. Global betrachtet gibt es weder ein objektiv richtiges noch ein überlegenes System. Das auf Konsens angelegte und angewiesene Völkerrecht hat insoweit die Rolle eines neutralen Beobachters.
Gewaltaufrufe darf man unterbinden
Russlands Schritt ist so bemerkenswert wie bedauerlich und als Zeichen fatal. Dass ein russisches Gericht es nicht billigt, dass Facebook und Instagram offene Gewaltaufrufe wie "Tod den russischen Invasoren" per Nutzungsbedingungen billigen, ist aus völkerrechtlicher Sicht nicht vorwerfbar. Gewaltaufrufe – gleich gegen wen sie sich richten - sind auch nach Massstäben staatlichen Rechts unzulässig. Daran muss auch Meta sich messen lassen. Solche Aussagen zu verbieten, ist rechtmässig.
Eine rechtlich relevante Entscheidung gegen Europa
Das Besondere am Vorgehen des russischen Gerichts besteht darin, dass nicht einzelne Äusserungen beanstandet, sondern die beiden Dienste vollständig unterbunden wurden. Völkerrechtlich kann man das Russland nun nicht mehr als Verstoss gegen Europäische Menschenrechte vorwerfen. Die Rechtsprechung in Russland nutzt die "neue rechtliche Freiheit" zur Eindämmung der Meinungsfreiheit bei erster Gelegenheit. Auch so verbrennt man Erde und zerschneidet ein Tischtuch, das für ein gemeinsames und friedliches Europa unter Beteiligung von Russland stand.
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