Russland hat die syrische Provinz Rakka erstmals auch vom Mittelmeer aus mit Marschflugkörpern bombardiert. Zum Einsatz kam dafür das U-Boot "Rostow am Don". Was hat es mit dieser Waffe auf sich?
Erst vor gut einem Jahr ist das dieselbetriebene U-Boot "Rostow am Don" vom Stapel gelaufen. Jetzt operiert das zur russischen Schwarzmeerflotte gehörende Unterseeboot im östlichen Mittelmeer unweit der syrischen Küste, wo es erstmalig offiziell in den Dienst der Marine gestellt wurde.
Am Montag sind von dort aus Marschflugkörper des Typs "Kalibr" in Richtung der syrischen Provinz Rakka abgefeuert worden. Das bestätigte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag.
Mit dem gleichen Typ Marschflugkörper hatte Russland bereits im Oktober vom Kaspischen Meer aus nach Angaben des Verteidigungsministeriums Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien beschossen.
Diese lagen in bis zu 1.500 Kilometer Entfernung von der Küste im Inland.
Russisches U-Boot ist gefragt
"Rostow am Don" ist ein Unterseeboot des Projektes 636 Warschwajanka – von der Nato "Improved Kilo" oder "Kilo-II-Klasse" genannt.
Dieses moderne Jagd-U-Boot ist mit knapp 74 Metern im Vergleich zu seinem Vorgängertyp geringfügig länger, hat mit bis zu 20 Knoten (umgerechnet 37 Kilometer pro Stunde) aber eine höhere Unterwassergeschwindigkeit und einen langanhaltenderen Dieselbetrieb
Verbesserte Sensoren, eine reduzierte Schallabstrahlung sowie die Möglichkeit zum Einsatz von neuartigen Seezielflugkörpern haben bislang zu einer weitreichenden Nachfrage geführt.
Neben Russland besitzen auch China, Algerien und Vietnam U-Boote des Projettyps 636. Seit 2008 zeigt sich auch Venezuela als potentieller Käufer interessiert.
Das Einsatzspektrum des Unterwasserboots reicht von der Bekämpfung anderer U-Boote und Überwasserschiffe bis hin zu Patrouillen- und Überwachungsaufgaben und Minenlegen.
Bei dem Waffensystem Kalibr handelt es sich um Mittelstreckenraketen, die sowohl konventionell als auch nuklear bestückbar sein sollen.
Israel und USA über Angriff informiert
Russland bombardiert Syrien seit September aus der Luft. Über den russischen Plan, sich vor Syriens Küste zu positionieren und aus abgetauchtem Zustand anzugreifen, seien Israel und die USA vorab informiert worden, berichten russische Nachrichtenagenturen.
Aus internationalen Gewässern heraus Marschflugkörper über grosse Distanzen abzufeuern, bedeutet im Zweifel, das Hoheitsgebiet anderer souveräner Nationalstaaten zu durchbrechen.
Damit greife Russland auf eine Weise in einen Konflikt ein, die bislang nur von den USA bekannt war, schreibt der Journalist Thomas Wiegold auf seinem Blog augengeradeaus.net, auf dem er sicherheitspolitische Themen näher beleuchtet.
Wiegold macht noch auf ein weiteres Detail aufmerksam: Die von der Kaspischen Flotte entsendeten Marschflugkörper haben den Luftraum des Iran und des Irak durchquert. "Das dürfte die Zustimmung dieser Länder voraussetzen", glaubt er.
Strategische Machtdemonstration?
Aus welchen Gründen Russland nun aus dem Mittelmeer heraus agiert, ist bislang Spekulationen vorbehalten. Der Einsatz eines mit bis zu 18 Torpedos oder 24 Seeminen schwerbewaffneten U-Boots gegen die Terrormilizen des IS erscheint unverhältnismässig.
Nicht unwahrscheinlich ist: Die geringere Entfernung zu russischen Angriffszielen in Syrien erlaubt den Gebrauch kostengünstigerer Waffensysteme mit einer geringeren Reichweite.
Wiegold geht bei dem Angriff am Montag dagegen von einer öffentlichkeitswirksamen Massnahme aus.
Der erste Abschuss russischer Marschflugkörper "diente offensichtlich auch dazu, klarzumachen, dass Russland über diese Systeme verfügt. Der heutige Einsatz sollte, so darf man getrost vermuten, noch etwas mehr beweisen: Das Mittelmeer gehört uns genauso", schreibt der Militärexperte.
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