Über gute und schlechte Lebensmittel entwickelte sich bei Sandra Maischberger eine kontroverse Debatte. Besonders die Frage, ob zu viel Milch- und Wurstkonsum das Krebsrisiko erhöht, war umstritten.

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Low Carb, Intervallfasten, Zuckerverzicht: In den Medien sind Tipps zur (vermeintlich) richtigen Ernährung und zu (angeblichen) Essenssünden ständig präsent. Ernährungsratgeber führen immer wieder die Bestsellerlisten an.

Was ist das Thema?

Die gute Ernährung ist für manche Menschen zu einer Art Glaubensbekenntnis geworden, über das erbittert gestritten wird. Dabei unterscheiden sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Nutzen oder die Schädlichkeit einzelner Lebensmittel und Ernährungsweisen zum Teil erheblich. Diese Gemengelage bot optimale Bedingungen für eine spannende Debatte bei Sandra Maischberger.

Wer sind die Gäste?

Bas Kast: Der Wissenschaftsjournalist hat zwei Jahre lang Tausende von Studien zum Thema Ernährung ausgewertet und den Bestseller "Der Ernährungskompass" geschrieben. Seine dort gebündelten Ergebnisse wurden teilweise hart kritisiert. Kast behauptete unter anderem, dass der übermässige Konsum von Milch- und Wurstprodukten das Krebsrisiko erhöhen könnte. "Nicht, was du ab und zu mal machst, bringt dich um. Es ist das, was du täglich tust", sagt er.

Michaela May: Die Schauspielerin hat nach vielen fehlgeschlagenen Diäten mittlerweile ein entspannteres Verhältnis zur Ernährung gefunden. Ob sie bei Essenssünden ein schlechtes Gewissen plage? "Dazu esse ich zu gerne", sagt May. Der Satz sorgte bei den anderen Gästen für heitere Gesichter. May schwört zudem auf frische Lebensmittel und Intervallfasten (acht Stunden essen, 16 Stunden Pause).

Andrea Ballschuh: Die Moderatorin verzichtet nach einer Fettleber-Diagnose fast vollständig auf Zucker. Nach eigenen Angaben war sie "zuckersüchtig" und litt, nachdem sie Zucker zwischenzeitlich völlig abgesetzt hatte, an Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Händezittern und schlechtem Schlaf.

Susanne Langguth: Als Vorstand des Lebensmittelverband BLL und frühere Zucker-Lobbyistin liess Langguth an den Thesen zum erhöhten Krebsrisiko bei übermässigen Konsum von Milch und Wurst kein gutes Haar. Sie bestritt zudem, dass Zucker abhängig machen könne, und behauptete, der Konsum von industriell verarbeiteten Zucker sei mit 20 Gramm pro Tag deutlich geringer als oft behauptet. Wie sie sich Ballschuhs Entzugserscheinungen erklären könne? "Das kann ich ihnen auch nicht sagen!" Da ging einen Raunen durchs Publikum.

Melodie Michelberger: Gesundheits- und Schönheitswahn durch Modemagazine trieben die Bloggerin als Jugendliche in die Magersucht. Kalorienzählen war ihr Hobby, ihre erste Diät machte sie im Alter von neun oder zehn Jahren, "weil ich mich so unwohl gefühlt habe mit meiner Figur". Auch heute werde dick immer noch mit krank assoziiert, kritisiert Michelberger. Sie sprach sich für entspannten Genuss aus. "Es ist total okay ein Stück Schokolade zu essen und Cola zu trinken." Ein unglaublich befreiendes Gefühl sei es für sie gewesen, sich nicht mehr nach Ernährungsregeln richten zu müssen, berichtete die Influencerin.

Dr. Manfred Lütz: Der Chefarzt eines Kölner Krankenhauses hält nichts vom "grassierenden Gesundheitswahn". Genetisch seien die Menschen so unterschiedlich in der Verarbeitung von Lebensmitteln, dass generelle Regeln sie nur unglücklich machen würden. Der Psychiater störte sich am "missionarischen Eifer" des Essenskultes. Für ihn habe das etwas "Egozentrisches und eigentlich etwas Gesellschaftsfeindliches".

Was war das Rededuell des Abends?

In den Augen von Manfred Lütz ist das Buch von Bas Kast "hypnosemässig angelegt" und "Volksverdummung". Harte Vorwürfe, die er weiter begründete. Es sei problematisch, dass "hier etwas als Wissenschaft ausgegeben wird, was keine Wissenschaft ist". Als Beispiel nannte er Kasts Einteilung der Lebensmittel in rot, gelb, grün je nach ihrer Wirkung auf die Gesundheit.

Der Kritisierte nahm die Vorwürfe überraschend gelassen auf, räumte sogar einige Schwächen ein. In den Studien zu Milch sei es beispielsweise umstritten, ob sie gute oder schlechte Effekte habe. "Ich sage den Leuten nicht, was sie essen sollen", betonte Karst. Er zeige nur Möglichkeiten auf.

Was war der Moment des Abends?

Zucker-Kritikerin Andrea Ballschuh war sichtlich erregt, dass in einigen Kinderkeksen schon 25 Prozent Zucker enthalten sind und sogar in Babymilch schon zu viel Zucker steckt. "Da verstehe ich nicht die Argumente der Industrie", schimpfte sie direkt in Richtung von Lobbyistin Langguth. Die Chefin des Lebensmittelverbandes zeigte sich an dieser Stelle kleinlaut und verteidigte sich nur halbherzig.

Wie hat sich Sandra Maischberger geschlagen?

Die Gastgeberin blieb am Ball, wenn ihr etwas nicht schlüssig erschien. Vor allem bei der Frage, warum in Grossbritannien exakt die gleichen Softdrinks mit drei statt neun oder zehn Prozent Zuckeranteil wie in Deutschland verkauft werden. Bei der Antwort wich Langguth allerdings mehrfach aus. Da hätte Maischberger noch einmal nachhaken müssen. Insgesamt machte sie aber einen guten Job.

Was ist das Ergebnis?

Der verbale Auseinandersetzung um gute und schlechte Lebensmittel, um richtige und falsche Ernährung verlief äusserst kontrovers. Besonders strittige Punkte waren ein Fall für den Faktencheck, wie Maischberger einräumte. Darunter die letztlich unbeantwortete Frage, ob der übermässige Verzehr von Milch und Wurst tatsächlich das Krebsrisiko erhöht oder wie viel industriell verarbeiteten Zucker wir täglich zu uns nehmen. Und so gingen die Meinungen folglich auch bei einer möglichen Zuckersteuer, die Länder wie Mexiko und Grossbritannien bereits erheben, auseinander. Wenn die schädliche Wirkung von Zucker tatsächlich feststünde, würde sich auch Manfred Lütz für eine Steuer aussprechen. Einer der wenigen Momente, wo er mit Autor Bas Kast übereinstimmte. Lobbyistin Langguth lehnte die Steuer ab.

Melodie Michelberger wünscht sich für die Zukunft, dass bestimmte Lebensmittel nicht mehr "moralisch erhöht werden". Das sei nämlich der Nährboden für eine neue Schlankheitsindustrie. Und damit in ihren Augen eine grosse Gefahr für verunsicherte junge Menschen, wie sie selbst es einmal war.

Kann denn Essen Sünde sein? Nach dieser Sendung bleibt nur die unentschiedene Antwort: ja und nein.

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