Weil Saskia Esken einen "latenten Rassismus" bei der Polizei in Deutschland sieht, muss sich die SPD-Chefin derzeit viel Kritik gefallen lassen. Nun wenden sich auch mehrere SPD-Innenminister gegen ihre Parteivorsitzende und werfen ihr vor, die Arbeit der Polizei zu diskreditieren.

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Saskia Esken sieht sich nach ihrer Aussage zu Rassismus bei der deutschen Polizei auch innerhalb der SPD Kritik ausgesetzt. Mehrere SPD-Innenminister der Länder haben die Äusserungen von Esken nun entschieden zurückgewiesen.

Zwar gebe es auch in Deutschland in allen gesellschaftlichen Bereichen Alltagsrassismus, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Aber der Polizei zu unterstellen, sie habe ein grösseres Problem mit Rassismus als andere Lebensbereiche, sei falsch und setze sie einem ungerechtfertigten Generalverdacht aus, sagte er dem "Spiegel".

Die Polizei sei laut Pistorius "hervorragend und umfassend ausgebildet. Die Unterschiede zur Ausbildung und Auswahl der Polizei in den USA sind offensichtlich und machen einen immensen Unterschied. Jeder direkte Vergleich an dieser Stelle läuft ins Leere und ist deplatziert."

Zudem sei die Polizei "vielfältiger, weiblicher und bürgerorientierter denn je". Man arbeite daran, dass sich dieser Trend weiterhin fortsetze. Eskens Kommentar sei nicht hilfreich für dieses Vorhaben.

Innenminister werfen SPD-Chefin Diskreditierung von Beamten vor

Gegenwind bekommt Esken auch aus anderen Bundesländern. Berlins Innensenator Andreas Geisel sagte dem Spiegel: "Wer der Polizei latenten Rassismus vorwirft, diskreditiert die Arbeit von tausenden rechtschaffenen Beamtinnen und Beamten."

Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Thüringer Ressortchef Georg Maier, sieht keine Rechtfertigung dafür, die Integrität der Polizei strukturell in Frage zu stellen. Ähnlich äusserte sich der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD).

Wie er sagte, sei er seit 14 Jahren für die Polizei verantwortlich und habe rassistische Ausfälle, die man ihr im Allgemeinen zuordnen könne, nie erlebt. Allerdings: "Es gibt, wo Menschen unterwegs sind, einzelne Verfehlungen", sagte Lewentz. "So was gibt es immer, nicht nur bei der Polizei, sondern überall in der Gesellschaft."

Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat der Aussage ihrer SPD-Parteivorsitzenden widersprochen. "Die absolute Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland hat mit Rassismus absolut nichts am Hut", so Lambrecht gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ).

Es gebe Einzelfälle, die konsequent aufgeklärt und geahndet werden müssten, aber Anzeichen eines strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei könne sie nicht ausmachen.

Saskia Esken sieht "latenten Rassismus" bei deutscher Polizei

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt: "Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, die durch Massnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen."

Bei der Aufarbeitung von Fällen ungerechtfertigter Polizeigewalt dürfe nicht der Eindruck entstehen, der polizeiliche Korpsgeist spiele eine grössere Rolle als die Rechte der Bürger. Deshalb müsse eine unabhängige Stelle mit der Bearbeitung solcher Beschwerden betraut werden, hatte Esken gefordert.

Eskens Aussage stand im Kontext von Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt in mehreren Städten. Auslöser für die Proteste in Berlin, Düsseldorf, München und knapp zwei Dutzend weiteren deutschen Städten am vergangenen Wochenende war der Tod des Schwarzen George Floyd durch einen brutalen Polizeieinsatz Ende Mai.

Seitdem ist auch in Deutschland eine Debatte zwischen Politikern und Gewerkschaftern darüber entbrannt, wie stark rassistische Denkmuster in deutschen Sicherheitsbehörden verbreitet sind. (dpa/thp)

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