Saudi-Arabien gilt als einer der grössten Sponsoren des islamistischen Terrors, doch allmählich scheint in der Golf-Monarchie ein Umdenken einzusetzen. Trotzdem sind Gruppen wie die Terrormiliz "Islamischer Staat" ein Produkt der strengen Islamauslegung der Saudis.

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Soziale Netzwerke sind ein beliebtes Mittel zur Kommunikation, aber sie verraten auch einiges über ihre Nutzer.

Sucht man im Kurznachrichtendienst Twitter das Land, aus dem die meisten Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" kommen, so landet man unwillkürlich bei Saudi-Arabien. Eine Überraschung ist das nicht.

Das Land auf der arabischen Halbinsel ist einer der grössten Förderer des dschihadistischen Terrors auf der Welt und dient durch seine besonders strenge Auslegung des Islams, den Wahhabismus, unzähligen Terrorgruppen als Inspiration.

Der Aufstieg des "Islamischen Staats" wäre ohne die Saudis in dieser Weise vermutlich nicht möglich gewesen.

Schon der Strafenkatalog des IS – Kopf abschlagen, Steinigung, Auspeitschung – findet sich so auch in Saudi-Arabien, das rückständige Frauenbild ähnelt sich ebenfalls.

Nicht umsonst gilt der IS als besonders gewalttätige Fortsetzung des wahhabitischen Islams.

Staatliche Unterstützung für IS?

Ob die Saudis den "Islamischen Staat" auch ganz offen unterstützt haben, darin sind sich Experten uneins.

"Es gab nie eine direkte staatliche Unterstützung Saudi-Arabiens", sagt der Politologe Curt Covi vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel.

Allerdings seien andere radikal-sunnitische Gruppierungen in Syrien, wie die Eroberungsarmee (Dschaisch al-Fatah) oder die salafistische Rebellenformation Ahrar asch-Scham, gefördert worden.

Auch Al-Kaida im Irak habe Gelder von saudischen Privatleuten erhalten, so Covi.

Die Orientalistin Ulrike Freitag sagte kürzlich dem "Deutschlandfunk":

"Alle sunnitischen, dschihadistischen Gruppen, welche Schiiten bekämpfen – und dadurch zeichnet sich der "Islamische Staat" ja insbesondere aus –, werden von Saudi-Arabien oder wurden von Saudi-Arabien lange direkt oder indirekt unterstützt."

Staatlicherseits sei das seit mindestens einem Jahr nicht mehr der Fall, weil man verstanden habe, "dass der IS auch intern eine massive Bedrohung darstellt."

Feindschaft mit dem Iran

Fest steht: Der Aufstieg des IS sowie anderer radikal-sunnitischer Gruppierungen im Irak und in Syrien war für Saudi-Arabien ein geeignetes Mittel, um den Einfluss des Erzfeindes Iran zu begrenzen.

Der schiitische Iran wiederum stützt gemeinsam mit der libanesischen Hisbollah-Miliz den syrischen Diktator Baschar al-Assad.

Die Auseinandersetzung Saudi-Arabiens mit dem Iran um die regionale Vorherrschaft habe "entscheidend zur Etablierung des 'Islamischen Staats' beigetragen", erklärt Curt Covi.

"Hilfreich wäre es, wenn die Saudis ihre Ambitionen in der Region etwas zurücknehmen würden, aber damit ist wohl nicht zu rechnen, wenn man sich beispielsweise die enorme Aufrüstung des Militärs anschaut."

Freitag meint, die Rivalität zwischen den Staaten sei in gewisser Weise eine "Lebensversicherung für den IS".

Schon in der Vergangenheit nahm Saudi-Arabien bei der Förderung terroristischer Strukturen eine problematische Rolle ein.

"Vor mehr als einem halben Jahrhundert hat das Königreich begonnen, seinen rückwärtsgewandten und intoleranten Islam zu exportieren", schreibt der Islamwissenschaftler Rainer Hermann in der FAZ.

BND warnt vor Saudi-Arabien

Der Bundesnachrichtendienst (BND) warnt gerade erst vor einer destabilisierenden Rolle Saudi-Arabiens in der arabischen Welt.

"Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt", heisst es in einer Analyse des deutschen Auslandsnachrichtendienstes.

Es bestehe die Gefahr, dass der neue Verteidigungsministers und Sohn von König Salman, Mohammed bin Salman, "die Beziehungen zu befreundeten und vor allem alliierten Staaten der Region überstrapaziert".

Während der Wahhabismus vor 50 Jahren noch eine kleine Strömung war, sei er erst durch die Saudis weltweit propagiert worden.

Das geschah und geschieht durch den Bau von Moscheen, Schulen und islamischen Kulturzentren, hauptsächlich in muslimischen Ländern, sowie durch die Ausbildung Zehntausender muslimischer Kader an der Islamischen Universität von Medina.

Auch die in 56 Ländern vertretene "Weltversammlung für die muslimische Jugend" habe den Terrorismus offen unterstützt, wie eine US-Untersuchung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 feststellte.

15 der 19 Attentäter besassen die saudische Staatsbürgerschaft.

In Deutschland geriet die "König-Fahd-Akademie" in Bonn, in der nach saudischen Lehrplänen unterrichtet wird, nach 9/11 ins Visier des Verfassungsschutzes.

In Saudi-Arabien ausgebildete Hassprediger bereiten den Behörden europaweit immer wieder Probleme. "Die radikale Form des Islam wird in Saudi-Arabien produziert", stellt Politologe Covi klar.

Enger Verbündeter der USA

Vor dem Hintergrund der ideologischen Gemeinsamkeiten der Saudis mit dem "Islamischen Staat" und angesichts ihrer Ambitionen in der Region, sollte man sich bei der Rolle, die das Land bei der Bekämpfung des IS einnehmen kann, "keine Illusionen machen", erklärt Covi.

"Saudi-Arabien ist eine konservative, verkrustete Monarchie", sagt der Terrorismus-Experte. "Daran wird sich auch nichts ändern."

Zugleich sind die Saudis, vor allem wegen ihrer Ölvorkommen, enger Verbündeter der USA und beteiligen sich seit 2014 sogar an Luftangriffen einer internationalen Allianz gegen IS-Stellungen.

Aus diesem Grund und wegen der "unislamischen", luxuriösen Lebensweise der Königsfamilie sind sie selbst ins Visier radikaler Dschihadisten geraten, auch der IS hat im Land schon Anschläge verübt.

Das Monster, so scheint es, richtet sich allmählich gegen seine eigenen Schöpfer.

Curt Covi ist Politikwissenschaftler und Terrorismus-Experte am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel.
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