Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli wird im Netz massiv angefeindet und erstattet 20 bis 30 Anzeigen pro Woche. Doch sie teilt auch selbst gerne über Twitter aus. Wer ist die schillernde SPD-Politikerin?

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Bei Facebook hat sich Sawsan Chebli abgemeldet. Die Kommentare von Rechtsextremen und Islam-Gegnern seien ihr zu viel geworden, erklärte die Politikerin laut "Heise Online" vor kurzem bei einer Podiumsdiskussion.

Bei Twitter aber ist sie weiterhin aktiv. Nicht nur dort erntet die 40-Jährige mit ihren Aussagen sowohl Zustimmung als auch klare Ablehnung. Pro Woche stelle sie 20 bis 30 Strafanzeigen gegen Hetzer im Netz, sagte sie bei der Diskussion - und das nur gegen "die Dinge, die ich per Mail bekomme".

Sawsan Chebli mag in der SPD eher eine Nebenrolle spielen. Doch sie polarisiert wie nur wenige andere.

Mit zwölf Geschwistern in Zweizimmer-Wohnung

Chebli hat geschafft, was vielen Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland verwehrt bleibt: Sie hat sich aus bescheidenen Verhältnissen hochgearbeitet. Ihre palästinensischen Eltern kamen 1970 als Asylbewerber nach Deutschland.

Chebli wurde 1978 geboren, wuchs nach eigenen Angaben mit zwölf Geschwistern in einer Zweizimmer-Wohnung in Berlin-Moabit auf und lernte erst in der Schule Deutsch.

Chebli schaffte es aufs Gymnasium, studierte Politikwissenschaft, arbeitete für mehrere SPD-Abgeordnete. Aufsehen erregte sie 2014, als der damalige Aussenminister Frank-Walter Steinmeier sie als erste Muslima zur stellvertretenden Sprecherin des Auswärtiges Amtes machte.

Ende 2016 wurde die SPD-Politikerin Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in Berlin sowie Bevollmächtigte Berlins beim Bund. Als solche vertritt sie die Interessen der Hauptstadt gegenüber der Bundesregierung.

Muslima ohne Kopftuch

Die Funktion der Bevollmächtigten ist eher eine Position im Hintergrund. Doch ihre öffentliche Wirkung reicht weit darüber hinaus. Im vergangenen Herbst sorgte ein mehrere Jahre altes Foto für Diskussionen, auf dem sie eine teure Rolex-Uhr trägt.

Passt so ein Schmuckstück zu einer Sozialdemokratin, wollten hämische Kommentatoren im Netz wissen. Chebli schoss zurück. Über Twitter verwies sie auf die schwierigen Umstände ihrer Kindheit. "Mir sagt keiner, was Armut ist", schrieb sie.

In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", kritisierte sie 2016, das islamische Rechtssystem Scharia habe in Deutschland einen zu negativen Ruf. "Es geht um Dinge wie das Gebet, um Fasten, um Almosen. Das stellt mich als Demokratin doch vor kein Problem im Alltag, sondern ist absolut kompatibel, wie es für Christen, Juden und andere auch der Fall ist", so Chebli.

Das brachte ihr auch in Teilen der eigenen Partei den Vorwurf ein, einen konservativen Islam zu vertreten. Doch Chebli lässt sich kaum in ein Raster pressen: Sie selbst trägt im Gegensatz zu ihrer Mutter kein Kopftuch. Sie macht sich für die Rechte von Muslimen stark, fordert die deutschen Muslime aber auch auf, sich gegen Antisemitismus zu positionieren. In Berlin liess sie öffentlichkeitswirksam Stolpersteine reinigen, die an ermordete Juden erinnern.

Twitter-Account vorübergehend gesperrt

Bei Twitter hat Chebli fast 49.000 Follower - mehr als viermal so viele wie der offizielle Account ihres "Chefs", des Berliner Bürgermeisters Michael Müller. Immer wieder sorgt sie dort für Kontroversen. Im August 2018 löschte die Politikerin selbst einen Tweet, in dem sie zum entschiedenen Kampf gegen Rechtsextreme aufgerufen hatte. "Wir sind zu wenig radikal", hatte sie geschrieben.

Anfang Mai beschäftigte sich Chebli mit einer Statistik, wonach Mohammed in Berlin 2018 der häufigste Name für Neugeborene war. Sie selbst heisse auch Sawsan Mohammed Chebli, schrieb sie in Richtung der AfD, die auf das Thema angesprungen war.

"Wir werden schon dafür sorgen, dass dieser Name nie verschwindet", so Chebli. Ihr Account wurde daraufhin vorübergehend gesperrt. Twitter begründete das so: Nutzer dürften den Dienst nicht nutzen, um Wahlen zu manipulieren. Inwieweit dieser Tweet zur Manipulierung von Wahlen hätte beitragen sollen, erklärte das Unternehmen aber nicht.

"Aufhören ist keine Option"

Chebli ist in Berlin viel unterwegs, gilt als fleissig und ehrgeizig. "Ich möchte, dass meine Arbeit ankommt", sagte sie in einem Podcast-Interview mit der "Zeit".

Doch zu ihrer Arbeit gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Die "Berliner Morgenpost" schrieb, dem Amt im Auswärtigen Amt sei sie nicht gewachsen gewesen: "Die Medien, die Gesellschaft, sie sind fasziniert von der Chebli-Story. Und arbeiten sich an ihr ab. Es ist die Geschichte einer gegenseitigen Überforderung", hiess es dort.

Denn überfordert seien auch die Menschen, die mit einer so selbstbewussten Muslima als Politikerin nicht umgehen können.

Ihre Familie habe ihr geraten, sich von dem Kurznachrichtendienst abzumelden, twitterte Chebli Mitte Juni: Sie würde mit ihren Tweets ihre Gegner nur reizen. Es sei in der Tat "alles nicht so einfach", räumte die 40-Jährige im gleichen Atemzug ein. "Aber aus Angst aufzuhören, die Stimme gegen Rechts, gegen Rassisten, Muslimfeinde und Antisemiten zu erheben, ist für mich keine Option."

Verwendete Quellen:

  • www.berlin.de: "Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales"
  • www.faz.net: "Müller und Chebli im Interview. "...als würden Muslime für Aliens gehalten"
  • www.heise.de: "Online-Hass: Staatssekretärin Chebli stellt bis zu 30 Anzeigen pro Woche"
  • www.morgenpost.de: "Der Chebli-Effekt - Warum diese Frau so polarisiert "
  • Twitter-Account von Sawsan Chebli
  • www.zeit-online.de: "Podcast Frisch an die Arbeit"
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