Den Angriff eines schwer bewaffneten Rechtsextremisten auf eine Synagoge in Halle am Jom-Kippur-Tag werten Menschenrechtler als den am zweitschlimmsten antisemitischen Vorfall des Jahres. Auf Platz 1 der Liste landet der Vorsitzende einer britischen Partei.
Der Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle ist von US-Menschenrechtlern in einer Rangliste der schlimmsten antisemitischen Vorfälle des Jahres 2019 auf Platz zwei gesetzt worden. "Trotz zunehmender antisemitischer Taten versäumten es die deutschen Behörden, Sicherheitsleute draussen an der Synagoge während der Feierlichkeiten zu Jom Kippur aufzustellen", schreibt das in Los Angeles ansässige Simon-Wiesenthal-Zentrum zu dem Verbrechen in Sachsen-Anhalt.
Die Liste der Organisation liegt der Deutschen Presse-Agentur vor - und stellt auch einen deutschen Diplomaten an den Pranger.
Auf dem geteilten zweiten Platz landeten auch mehrere antisemitisch motivierte Angriffe in den USA, darunter der tödliche Angriff auf einen jüdischen Laden vergangene Woche in New Jersey.
An vorderster Stelle der Liste findet sich die britische Labour-Partei mit ihrem Vorsitzenden Jeremy Corbyn: Niemand habe mehr dafür getan, Antisemitismus im Mainstream zu etablieren, heisst es zur Begründung. Der Bericht des Simon-Wiesenthal-Zentrums soll am Mittwoch offiziell in New York vorgestellt werden.
Angriff auf Synagoge in Halle: Kurz danach wurde Kritik laut
Am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, in der Gläubige den höchsten jüdischen Feiertag begingen. Als der Angreifer scheiterte, erschoss er in der Nähe zwei Unbeteiligte. Auf der Flucht verletzte der Täter ein Paar schwer, bevor er festgenommen wurde.
Der zum Tatzeitpunkt 27 Jahre alte Deutsche hat den Anschlag gestanden und rechtsextreme und antisemitische Motive eingeräumt.
Kurz nach der Tat wurde unter anderem Kritik laut, weil die Polizei trotz des jüdischen Feiertags nicht an der Synagoge postiert war. Anfang Dezember hat deshalb ein Untersuchungsausschuss im Magdeburger Landtag die Arbeit aufgenommen. Dort sollen auch die Sicherheitsvorkehrungen und Einsatzkonzepte im Land auf den Prüfstand gestellt werden.
Bereits am Freitag war bekannt geworden, dass der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen auf Platz sieben der Rangliste des Wiesenthal-Zentrums gelandet ist. Die Menschenrechtsorganisation begründet dies mit einem angeblich israelfeindlichen Abstimmungsverhalten Deutschlands bei den Vereinten Nationen sowie mit einer Aussage des 64-Jährigen vor dem UN-Sicherheitsrat im März.
Christoph Heusgens Nennung stösst auf Kritik
Heusgen hatte in seiner frei gehaltenen Rede im wichtigsten UN-Gremium unter anderem gesagt: "Wir glauben, dass das internationale Recht am besten geeignet ist, Zivilisten zu schützen, damit sie in Frieden und Sicherheit leben können, damit sie ohne Angst vor israelischen Bulldozern oder Hamas-Raketen leben können."
Heusgens Nennung in der Rangliste stiess auf Kritik, auch weil die Weisungen zu UN-Abstimmungen vom Auswärtigen Amt aus Berlin kommen. In der beanstandeten Rede hatte er zudem Raketenangriffe der Hamas auf Ziele in Israel verurteilt sowie von "Provokationen" und "entzündlicher Rhetorik" seitens der Palästinenser geredet.
Das Auswärtige Amt schickte eine Protestnote an das Wiesenthal-Zentrum. Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, nahm den Top-Diplomaten in Schutz und nannte die Vorwürfe "völlig unangebracht".
Auf der Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums tauchen immer wieder Prominente auf. So wurde der Rockstar Roger Waters (früher bei Pink Floyd) im vergangenen Jahr auf Platz zehn gesetzt. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.