Versklavung, Vergewaltigungen, öffentliche Hinrichtungen: Die Herrschaft des Islamischen Staates (IS) in Syrien und Irak funktioniert nur mit terroristischen Methoden. Die Dschihadisten gehen selbst gegen die Schwächsten erbarmungslos vor.
Fast jede Woche werden neue Gräueltaten des Islamischen Staates (IS) bekannt – die Details sind oft brutal und blutig. Nun hat ein Interview der UN-Gesandten Sainab Bangura für Aufsehen gesorgt. Nach ihrer Reise durch Syrien, den Irak, die Türkei, den Libanon und Jordanien berichtet Bangura über die Versklavung und den Missbrauch von Frauen und Mädchen. Der IS führe einen Krieg "auf dem Rücken der Frauen", sagte Bangura.
Diese Methoden fügen sich in das Bild, das schon über die Herrschaftsstrategie der Dschihadisten bekannt ist. Immer wieder gehen die IS-Kämpfer, die dem selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi folgen, gegen Minderheiten, Andersgläubige, Abweichler und Geiseln vor. Besonders die öffentlichen Hinrichtungen sorgten in der Vergangenheit für Entsetzen. "Dabei handelt es sich um monströse öffentliche Opferrituale. Sie folgen mehrheitlich einem festen Schema, sie sind choreographiert, für Video-Aufnahmen und Fotos, die in einschlägigen Netzwerken und Hochglanzpropaganda-Blättern verbreitet werden", erklärt die Historikerin Prof. Birgit Schäbler von der Universität Erfurt. "Alle, die dabei zusehen, werden in dieses Ritual hinein gezogen, und so zu Mittätern einer verschworenen Gemeinschaft zusammengeschweisst. Sie werden gewissermassen selbst zu Ritualmördern."
Der IS verfolgt ein klares Ziel: "Der Terror schüchtert die Bevölkerung ein, und auch Entwicklungshelfer und Journalisten werden abgeschreckt", sagt Schäbler. Dafür machen die Terroristen nicht einmal vor Kindern halt: Der Ausschuss der Vereinten Nationen (UN) für die Rechte des Kindes warf kürzlich dem IS vor, im Irak Kinder zu foltern oder als Sexsklaven zu verkaufen. Kinder aus religiösen und ethnischen Minderheiten seien am häufigsten betroffen, heisst es. "Besonders gefährdet sind die islamischen Minderheiten, die von der strengen Auslegung der Lehre durch den IS am weitesten entfernt sind", sagt Birgit Schäbler.
"Sexuelle Gewalt als Terrortaktik"
Frauen und Mädchen spielen zudem eine grosse Rolle bei der Rekrutierung ausländischer IS-Kämpfer. Die rund 25.000 Freiwilligen aus mehr als 100 Ländern, darunter knapp 700 Deutsche, werden auch durch die Aussicht auf Jungfrauen angelockt. Es sind Fälle bekannt, wo Familien aus Angst vor Repressionen ihre Töchter an die Terrormiliz auslieferten oder verkauften. In neu eroberten Dörfern werden Frauen und Mädchen dagegen meist von den Männern getrennt, dann teilt man sie nach ihrem Aussehen ein und testet sie auf ihre Jungfräulichkeit. Auf Sklavenmärkten werden die Verschleppten präsentiert und anschliessend verkauft – manchmal nur für eine Zigarettenschachtel, wie UN-Gesandten Bangura nun berichtet hat.
Jungfrauen erzielen meist die höchsten Preise. "Wir hörten von einem Mädchen, das 22 Mal verkauft wurde", sagt Bangura weiter. Einem anderen sei der Namen des neuen Besitzers auf den Handrücken geschrieben worden. Der Scheich wollte damit, "sein Eigentum markieren." Ein weiteres Mädchen wurde bei lebendigem Leibe verbrannt, nachdem sie sich geweigert hatte, eine Sexualpraxis auszuführen. Der Umgang mit Mädchen und Frauen sei "mittelalterlich", sagte die UN-Gesandte. "Der IS nutzt sexuelle Gewalt als Terrortaktik, um wichtige strategische Prioritäten wie Rekrutierung, Geldbeschaffung, Disziplin und Ordnung sowie seine Rassenideologie zu stärken", resümiert Bangura.
Auch Jungen werden vom IS nicht verschont: Die UN klagt über Enthauptungen und Massenerschiessungen. Damit wollen die Islamisten die Zahl künftiger Feinde verringern. Auch als Kontrollposten, Bombenbauer und Kindersoldaten kommen Minderjährige zum Einsatz.
Dennoch: Schäbler ist sich sicher, dass sich die Terrorherrschaft trotz dieser grausamen Methoden und der Einschüchterung der Bevölkerung langfristig nicht durchsetzen wird. Zwar dürfte es noch länger dauern, doch sobald "sich der IS im Irak und Syrien die Versorgung und Bestrafung nicht mehr leisten kann, schliessen sich ihm keine neuen Anhänger mehr an", bilanziert sie.
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