Zivilisten müssen unter allen Umständen aus Kämpfen herausgehalten und geschützt werden. Aber was ist, wenn Kämpfer sich hinter ihnen verstecken? Der Angriff auf die Schule im Gazastreifen hat für Diskussionen im Völkerrecht gesorgt.
Der israelische Angriff auf eine als Zufluchtsort genutzte Schule im Gazastreifen mit vielen Toten hat weltweite Empörung ausgelöst. Israel sagt, dort hätten sich Kämpfer der Hamas versteckt. Was ist nach dem internationalen Völkerrecht erlaubt, und was nicht?
Dürfen Hamas-Kämpfer sich im Gazastreifen in zivilen Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäusern verstecken und von dort aus Angriffe starten?
Nein. Das Statut des internationalen Strafgerichtshofs nennt als schweren Verstoss gegen das Völkerrecht im internationalen bewaffneten Konflikt unter anderem "die Benutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten Person, um Kampfhandlungen von gewissen Punkten, Gebieten oder Streitkräften fernzuhalten".
Im humanitären Völkerrecht heisst es: "Es ist verboten, Zivilpersonen als Schutzschild für militärische Ziele zu missbrauchen oder die Bewegungen der Zivilbevölkerung so zu lenken, dass sie militärische Ziele vor Angriffen abschirmen oder Kriegshandlungen decken."
Was, wenn sie es trotzdem tun?
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das über die Einhaltung des Völkerrechts wacht, erklärt: "Ein Krankenhaus oder eine Schule kann jedoch ein legitimes militärisches Ziel sein, wenn es zu bestimmten militärischen Operationen des Gegners beiträgt und seine Zerstörung einen eindeutigen militärischen Vorteil für die angreifende Seite darstellt."
Krankenhäuser und Schulen müssen nach humanitärem Völkerrecht geschützt werden, aber sie verlieren ihren Schutzstatus unter bestimmten Bedingungen: "Zum Beispiel, wenn ein Krankenhaus als Ausgangspunkt für einen Angriff, als Waffendepot oder als Versteck für gesunde Soldaten/Kämpfer genutzt wird", so das IKRK.
Ist eine Schule oder ein Krankenhaus damit ein legitimes Ziel für einen Angriff?
Zunächst ist klar, dass das humanitäre Völkerrecht nicht ausgesetzt wird, wenn eine Seite es verletzt, etwa, in dem sie Menschen als Schutzschilde vor Angriffen missbraucht. "Die Handlungen einer der Parteien entbinden die andere Partei nicht von ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht", sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, im November 2023.
In jedem Fall hängt es immer von den genauen Umständen ab, ob ein ziviles Ziel angegriffen werden darf, wenn sich dort militärische Kämpfer verstecken. Es muss immer abgewogen werden, ob der zu befürchtende Schaden im Verhältnis zum erhofften Ziel steht.
"Das Prinzip der Verhältnismässigkeit besagt, dass der Schaden so klein wie möglich gehalten werden muss. (...) So dürfen keine Objekte angegriffen werden, bei denen damit zu rechnen ist, dass Zivilisten ihr Leben verlieren oder zivile Ziele beschädigt werden, wenn das Ausmass dieser Schäden den erwarteten konkreten und direkten militärischen Nutzen übersteigt", erklärt die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.
Wie das UN-Menschenrechtsbüro die Lage beurteilt
"Es ist offensichtlich, dass einige auf beiden Seiten die Tötung von Zivilisten entweder als akzeptablen Kollateralschaden oder als absichtliche und nützliche Kriegswaffe betrachten", sagte Türk im November 2023. "Dies ist eine humanitäre und menschenrechtliche Katastrophe. Sie stellt einen Zusammenbruch der grundlegendsten Achtung vor humanen Werten dar." (dpa/lla)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.