Es ist nicht lange her, da hätte der Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel beinahe eine Regierungskrise ausgelöst. Jetzt steht mit den Rentenplänen von Olaf Scholz erneut ein Thema auf der Agenda, das für Wirbel in der Regierung sorgt.
Mit Rücktritt droht der CSU-Vorsitzende und Innenminister jetzt erstmal nicht mehr. Doch so richtig belastbar ist der Berliner Koalitionsfrieden wohl immer noch nicht - obwohl die Regierung so viel Geld verteilen kann wie nie.
Das liegt zum Teil an Umfragen, die zeigen, dass die Koalition aus CDU, CSU und SPD keine Mehrheit mehr hätte, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. Ausserdem hegt Horst Seehofer immer noch Groll - auch gegen einige seiner Parteikollegen. Er fühlt sich missverstanden, verspottet und ungerecht behandelt.
Seehofer hat sich durchgesetzt
Immer wieder blickt
Auch die Kritik an der von ihm betriebenen Erweiterung des Innenministeriums um eine Abteilung für "Heimat" hat Seehofer noch nicht verwunden. In einer Rede beim "Tag der Heimat" des Bundes der Vertriebenen am Samstag klagt er über die "nicht wenigen Widerstände", auf die er dabei gestossen sei. Einige hätten seine Pläne "spöttelnd" begleitet.
Andere hätten ihm völlig zu Unrecht "Volkstümelei" und "Blut-und-Boden"-Denken vorgeworfen. "Mir wird ja immer zugeschrieben, der ist nur für Sicherheit, der ist ein verdeckter AfD-ler", klagt Seehofer. Dabei sei sein ideologischer Unterbau "die christliche Soziallehre, in der bin ich grossgeworden".
GroKo berät über Rente
Vor einem abendlichen Treffen mit Bundeskanzlerin
Seehofer will zunächst mit Merkel, die direkt von einer dreitägigen Kaukasus-Reise ins Kanzleramt kommt, über eine Lösung im festgefahrenen Streit über die Renten- und Arbeitsmarktpolitik der Koalition beraten. Anschliessend soll Scholz zu einer Dreier-Spitzenrunde dazustossen.
Unvergessen sind die Wochen im Frühsommer, als sich der Bayer mit der Kanzlerin derart tief über die von ihm verlangte Zurückweisung von Migranten an der Grenze zerstritt, dass die Neuauflage der grossen Koalition beinahe schon in ihren ersten Monaten geplatzt wäre.
Merkel hätte dann wohl ihr Amt verloren. Die Umfragen gingen für beide Unionsschwestern weiter in den Keller.
Wichtige Landtagswahlen stehen an
Vielleicht ist Seehofer aber nicht der Einzige, der nachtragend ist. Auch der Groll der Kanzlerin über die Konfrontationsstrategie von Seehofer und seiner CSU in der Asylfrage dürfte noch nicht verflogen sein. Zeigen wird Merkel ihre Verärgerung aber wohl nicht mehr.
Denn vor den wichtigen Landtagswahlen im Oktober - zuerst in Bayern, dann in Hessen - will man die Wähler nicht dadurch vergraulen, dass sich die schwarzen Schwestern streiten wie die Kesselflicker.
Seehofer gibt sich in einer Fragerunde mit Bürgern am Samstag denn auch ziemlich konziliant. Zur Kanzlerin habe er natürlich auch im Urlaub Kontakt gehabt. Dieser sei "zwar nicht so dicht und persönlich wie in normalen Sitzungswochen", aber: "Wir wissen also um unsere gegenseitige Stimmung." Und die sei "bei allen dreien entspannt und gut", sagt er auch mit Blick auf Scholz.
Auf die Frage nach den Erfolgsaussichten des Spitzengesprächs zur Sozialpolitik angesprochen, sagt Seehofer: "Ich glaube, dass alle drei Parteivorsitzenden mit der Absicht und dem Ziel heute zusammentreffen, wieder einiges voran zu bringen."
Dass er Scholz bei soviel Freundlichkeit und Optimismus versehentlich zum SPD-Vorsitzenden macht, wo doch Andrea Nahles schon eine ganze Weile Parteichefin ist, mag der Urlaubsentspannung geschuldet sein.
Merkel bot Seehofer offenbar den Posten an
Doch so ganz kann Seehofer das Nachkarten dann doch nicht sein lassen. Im Bürgerdialog betont Seehofer, er habe sich nach dem Amt des Innenministers nicht gedrängt. Der CSU-Chef sagt: "Es war auch die Kanzlerin, die mich gefragt hat, ob sie mit mir rechnen kann."
Denjenigen, die in Berlin schon über sein vorzeitiges Ende als Innenminister spekulieren, will der 69-Jährige jedenfalls aktuell kein Futter liefern. Als er gefragt wird, wie er sich das Ende seiner politischen Laufbahn vorstelle, gibt er schmunzelnd zurück: "Schmerzfrei."
Als er 2013 die absolute Mehrheit für seine Partei zurückgeholt und gesagt habe, dies sei seine letzte Legislatur, sei dies ein Riesenfehler gewesen. "Kaum sagen Sie das als Politiker, ist es vorbei mit der Herrlichkeit, weil alle, die sich vorstellen, dass sie ihre Nachfolger werden, sofort zu scharren beginnen."
"Jetzt ist Schluss. Und aus"
Ein Politiker müsse sich aber auch selbst prüfen, sagt Seehofer nachdenklich. Solange niemand sage, "jetzt wird's aber Zeit, Du wirst tatterig und kannst Dich nicht mehr klar artikulieren", und solange keine "Anfangszustände von Demenz" vorlägen, denke er aber nicht ans Aufhören, macht der Minister deutlich.
Auf jeden Fall würde er seinen Ausstieg nicht mehr ankündigen, sondern es ganz anders machen und sagen: "Jetzt ist Schluss. Und aus." Sicherheitshalber fügt Seehofer hinzu: "Aber das ist auf absehbare Zeit nicht der Fall." (mss/dpa)
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