Die Schweizer Behörden bedauern den Austritt der USA aus dem Menschenrechtsrat. Sie verteidigen den Rat, der "in den betroffenen Gebieten Konkretes" bewirke und bei der Ausarbeitung von rechtlichen Rahmenbedingungen "eine massgebende Rolle" spiele.
"Die Schweiz bedauert die Entscheidung der USA, aus dem UNO-Menschenrechtsrat (MRR) auszutreten. Sie erachtet den MRR als wichtiges Gremium zur Förderung und zum Schutz der Rechte in diesem Bereich", schrieb das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Mittwoch in einer Mitteilung.
Das Schweizer Aussenministerium erklärte, es bleibe dem 47-köpfigen Organ verpflichtet. "Der MRR bewirkt in den betroffenen Gebieten Konkretes, namentlich durch die Entsendung von Ermittlungs- und Untersuchungskommissionen bei besorgniserregenden Vorkommnissen. Bei der Ausarbeitung von rechtlichen Rahmenbedingungen spielt er zudem eine massgebende Rolle."
Am Dienstag hatten die USA nach langen Spekulationen bestätigt, sich aus dem in Genf ansässigen MRR zurückzuziehen. Sie nannten den Rat "scheinheilig und egoistisch". Er sei chronisch voreingenommen gegen Israel und reformunfähig.
"Die Schweiz ist überzeugt, dass sich eine aktive Beteiligung der USA an den Arbeiten des MRR positiv auf die Menschenrechtslage in der Welt auswirkt. Sie respektiert jedoch die souveräne Entscheidung der USA und wird ihre konstruktive Zusammenarbeit mit den USA im Bereich der Menschenrechte fortsetzen", schrieb das EDA weiter.
Die Schweiz war wesentlich an der Gründung des Menschenrechtsrats im März 2006 beteiligt. Dieser ersetzte die weithin diskreditierte und stark politisierte UNO-Menschenrechtskommission, die seit 1946 bestanden hatte.
Boris Johnson: "Bedauerlich"
Für den Schweizer Botschafter bei den Vereinten Nationen (UNO) in Genf, Valentin Zellweger, hat der Rückzug der USA einen "tiefgreifenden Einfluss" auf den Rat und führt zu "erheblichen Konsequenzen".
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hingegen lobte den "mutigen" Entscheid der Regierung Trump zum Rückzug. Andere Länder hielten mit Kritik nicht zurück, darunter Russland, China, die Niederlande und Grossbritannien.
Der britische Aussenminister Boris Johnson nannte den Entscheid "bedauerlich". Die Europäische Union (EU) sagte, dieser Schritt könnte "die Rolle der USA als Vorkämpferin und Unterstützerin der Demokratie auf der Weltbühne untergraben".
Die Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch gab zu, dass der MRR "Schwächen" habe, darunter etwa die Teilnahme von Staaten wie China, Saudi-Arabien und Venezuela, die hartnäckig Menschenrechte verletzen würden. Trotzdem spiele der Rat eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung schwerwiegender Rechtsverletzungen auf der ganzen Welt.
Der Rückzug der USA sei "selbstzerstörerisch" und berge die Gefahr, dass Länder wie China und andere Akteure gestärkt würden, die regelmässig versuchten, die Menschenrechtsmechanismen der UNO zu untergraben.
Auch die ehemalige Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, die im September 2005 das Konzept des Menschenrechtsrats vorgestellt hatte, empfand den Schritt als "Gefährdung des Rats", räumte aber ein, dass das Forum in einigen Punkten verbessert werden könne.
USA mit "Amerika zuerst"-Politik
"In diesem Jahr feiern wir den 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, und es ist sehr traurig zu sehen, dass ein US-Präsident eine Politik führt, die gegen den Multilateralismus und die internationale Zusammenarbeit verstösst", sagte sie im französischsprachigen Schweizer Radio RTS.
"Es ist keineswegs sicher, dass dieser Entscheid zu Reformen der UNO und mehr Zusammenarbeit führen wird. Vielleicht wird er zur Vorherrschaft von globalen Männern fürs Grobe und mächtigen Staaten führen, und in dieser Hinsicht hat ein Land wie die Schweiz nichts zu gewinnen", sagte sie.
Der US-Entscheid liegt auf der Linie der Trump-Regierung, sich unter der "America first"-Politik des Präsidenten aus internationalen Abkommen und Organen zurückzuziehen. Seit Januar 2017 haben die USA ihren Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt, die UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) verlassen und sich aus dem iranischen Atomabkommen zurückgezogen.
© swissinfo.ch
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