Der Bundesrat will eine Stellungspflicht für Frauen prüfen. Und: Zukünftig sollen nur noch jene Männer und Frauen auch tatsächlich Dienst leisten, die von der Armee und dem Zivilschutz gebraucht werden. Ein brisanter Vorschlag.

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In der Schweiz sind alle Männer mit Schweizer Pass wehrpflichtig. Sie müssen Dienst in der Armee oder im Zivilschutz leisten. Wer aus medizinischen Gründen untauglich ist, bezahlt eine Ersatzabgabe. Wer den Militärdienst nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, leistet einen zivilen Ersatzdienst – beispielsweise in einem Altersheim oder Krankenhaus. Frauen dürfen in der Schweiz freiwillig Militär- oder Zivilschutzdienst leisten.

Nun hat der Bundesrat am Mittwoch mitgeteilt, dass er bis 2020 ein neues Wehrsystem prüfen will. Vorbild soll das "norwegische Modell" sein. Dieses sieht eine Stellungspflicht für Männer und Frauen vor. Tatsächlich Dienst leisten müssen aber nur diejenigen, die in Armee und Zivilschutz tatsächlich benötigt werden. Der Bundesrat beauftragt das Verteidigungsdepartement bis 2020 mit einer Analyse, wo in Armee und Zivilschutz Personalmangel herrscht.

Adieu Wehrgerechtigkeit!

Ein solcher Wechsel des Wehrsystems käme in der Schweiz einer kleinen Revolution gleich. Nicht nur, weil auch Frauen zu einem Militärdienst verpflichtet werden könnten, sondern auch weil das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht in Frage gestellt würde. Dass nicht grundsätzlich alle tauglichen Männer einer Altersgruppe Dienst leisten müssen, wäre in der Schweiz ein Novum.

Das Thema Wehrgerechtigkeit ist in der Schweiz sehr wichtig. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, in denen untaugliche Männer eine Ersatzabgabe bezahlen müssen. Ein Schweizer mit Diabetes hat vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof erkämpft, dass er einen Dienst in der Armee leisten darf, um der happigen Ersatzabgabe zu entgehen. Das Gericht gab dem Mann 2010 Recht. Seither dürfen auch Untaugliche in der Schweizer Armee Dienst leisten – die Armee muss ihnen eine geeignete Funktion anbieten.

Diese Errungenschaft könnte mit dem "norwegischen Modell" nun zunichtegemacht werden, da sich Armee und Zivilschutz ihr Personal quasi aussuchen dürften. Das norwegische Modell wertet den Bedarf der Streitkräfte höher als die Wehrgerechtigkeit. Das erkennt auch der Bundesrat. Doch er will laut Mitteilung "in jedem Fall die personelle Alimentierung der Armee sicherstellen". Mit anderen Worten: Adieu Wehrgerechtigkeit!

Frauen "Marsch"! Oder doch nicht?

Dass Frauen zu einem Militärdienst verpflichtet würden, wäre in der Schweiz ebenso revolutionär. Zwar unterstanden sie im Zweiten Weltkrieg aufgrund eines dringlichen Bundesbeschlusses der Luftschutzdienstpflicht. Und in einigen Kantonen können Frauen theoretisch zu einem Katastrophendienst eingezogen werden. In einigen Gemeinden sind Frauen feuerwehrdienstpflichtig. Doch abgesehen von diesen Beispielen ist in der Schweiz der Grundsatz stark verankert, wonach Frauen freiwillig Dienst leisten und keinesfalls gezwungen werden dürfen.

Der Bundesrat schreibt denn auch in der Mitteilung, dass er zum jetzigen Zeitpunkt der Ansicht sei, dass sich Frauen weiterhin freiwillig in Armee und Zivilschutz engagieren sollen. Wenngleich es sich bei der Dienstpflicht für Frauen um eine "sicherheitspolitische und gesellschaftspolitische Frage handle, die tiefgreifender diskutiert werden müsse".  © swissinfo.ch

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