Der Schweizer Staatssekretär Yves Rossier verteidigt das Vorgehen der türkischen Regierung und des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dem Putschversuch von letztem Monat. Er setzt auf Dialog und Versöhnung, Kampfansagen seien hingegen wirkungslos, sagt er.

Mehr aktuelle News

In einem am Mittwoch publizierten Interview mit den Zeitungen "Tages-Anzeiger" und "Der Bund" wurde der Schweizer Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Yves Rossier, gefragt, ob die Schweiz es akzeptieren könne, dass Türken hierzulande von der türkischen Regierung und ihr nahestehenden Organisationen bedroht würden, wenn sie Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht unterstützten.

"Der Ton, den einige Exponenten anschlagen, ist unangenehm", antwortete Rossier. "Aber man kann ihn nicht kontrollieren. Und in einer politischen Auseinandersetzung ist Vieles zulässig. Kritik ist erlaubt."

Auf den Hinweis, dass diese Aufrufe zur Denunziation die Leute einschüchtern könnten, antwortete Rossier, dass es an den Justizbehörden sei, zu entscheiden, ob diese Aufrufe strafbar seien.

"Inwiefern sich die Leute einschüchtern lassen, ist eine andere Frage", sagte er. "Ich denke, die türkische Zivilgesellschaft hat mehrmals gezeigt, dass sie sich nicht so schnell einschüchtern lässt. Deshalb ist der Putschversuch vom 15. Juli gescheitert: Weil die Leute auf die Strasse gingen, obwohl auf sie geschossen wurde. Sie hatten keine Angst, die Zivilcourage war stärker. Das ist ein gutes Zeichen."

Jedes Land auf seine Weise

Laut Rossier lässt sich mit einer Kampfansage, wie sie Österreichs Aussenminister Sebastian Kurz machte, wenig bewirken. Am Wochenende drohte Kurz mit dem Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei, was den Flüchtlingsdeal zwischen Brüssel und Ankara zum Scheitern bringen könnte.

Auf die Frage, warum die Schweiz die Drohungen einer ausländischen Regierung gegen Türken in der Schweiz duldet, während Österreich dies klar ablehnt, antwortete Rossier: "Jedes Land reagiert auf seine Weise. Die Schweiz hat von Beginn weg zur Zurückhaltung und Versöhnung der demokratischen Kräfte aufgerufen."

Und weiter: "Wir wollen der Türkei dabei helfen, ein Rechtsstaat zu bleiben. Hier hat das Land in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte gemacht, gerade unter der AKP-Regierung von Erdogan."

Diese Hilfe sollte in Form eines Dialogs fortgeführt werden, so Rossier, nicht nur mit der Regierung, sondern auch mit der Zivilgesellschaft. Auch die grossen NGO seien vor Ort und hälfen, aus Gerüchten Fakten zu machen. "Die Türkei ist heute eine moderne, urbane Gesellschaft. Das war vor 30 Jahren ganz anders. Wir wollen sagen: Zerstört nicht, was ihr aufgebaut habt."

Putsch ist Katastrophe für Rechtsstaat

Rossier sagte weiter: "Wenn sich die Türkei tatsächlich von der Rechtsstaatlichkeit verabschieden würde, wäre das eine Katastrophe. Aber schauen Sie, was jetzt geschieht: Die AKP und die Oppositionsparteien haben sich angenähert. Es gibt nun die Reaktion auf den Putsch, ja. Aber das ist normal. Ein Putsch ist katastrophal für den Rechtsstaat."

Und Rossier wurde noch deutlicher: "Stellen Sie sich vor, in der Schweiz würde das Militär das Bundeshaus angreifen und auf Zivilisten schiessen. Man würde mit Verhaftungen reagieren. Die Verhaftungen auszuweiten auf blosse Regierungskritiker ist dagegen nicht zulässig. Wichtig ist, dass sich die Betroffenen gerichtlich dagegen wehren können."  © swissinfo.ch

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.