Luftangriffe und zerstörte Panzer - in der Konfliktregion Berg-Karabach gibt es nach neuen Gefechten viele Verletzte und auch Tote. Um die Region streiten sich Armenien und Aserbaidschan seit Jahren. Die Kämpfe könnten die schwerste Eskalation seit langem sein. Russland, die Türkei und die EU melden sich zu Wort.
Armenien hat nach Kämpfen mit dem Nachbarland Aserbaidschan in der Konfliktregion Berg-Karabach den Kriegszustand ausgerufen. Das teilte Regierungschef Nikol Paschinjan am Sonntag in Eriwan mit. Zuvor hatte Aserbaidschan eine Militäroperation gegen Berg-Karabach angekündigt. Es soll zahlreiche Verletzte und rund zehn Tote unter den Soldaten in dem Südkaukasus-Gebiet geben. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit Jahrzehnten.
Zwischen den verfeindeten Nachbarländern kam es nach Angaben beider Seiten am Sonntagmorgen zu schweren Gefechten. Die Hauptstadt Stepanakert sei beschossen worden, die Menschen sollten sich in Sicherheit bringen, teilten die Behörden in Berg-Karabach mit. Zahlreiche Häuser in Dörfern seien zerstört worden. Nach Darstellung aus Baku und Eriwan dauerten die Kämpfe an.
Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld für die Gefechte. Der Beschuss habe am frühen Morgen von aserbaidschanischer Seite begonnen, schrieb Paschinjan auf Facebook. "Die gesamte Verantwortung dafür hat die militär-politische Führung Aserbaidschans", teilte die Sprecherin des Verteidigungsministeriums von Armenien mit.
Eriwan habe Hubschrauber und Kampfdrohnen abgeschossen. Drei gegnerische Panzer seien getroffen worden. Baku dementierte dies und betonte, es handele sich bei den Gefechten um eine Gegenoffensive an der Frontlinie. Armenien habe die Kämpfe provoziert.
Aserbaidschan soll sieben Dörfer im Konflikgebiet zurückerobert haben
Aserbaidschan hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums am Sonntag sieben Dörfer in dem Konfliktgebiet zurückerobert. Die Gebiete seien bei der Militäroperation von der armenischen Besatzung befreit worden, sagte Verteidigungsminister Zakir Hasanov aserbaidschanischen Medien zufolge am Sonntag in Baku. Demnach handelte es sich vor allem um Gebiete in den Regionen Füsuli und Dschabrayil.
Die von Armenien kontrollierte Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Baku hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Kontrolle über das von christlichen Karabach-Armeniern bewohnte Gebiet verloren. Seit 1994 gilt in der Region eine Waffenruhe, die aber immer wieder gebrochen wurde. Zuletzt flammte der Konflikt 2016 stark auf. Dabei starben mehr als 120 Menschen.
Im Juli kam es an der Grenze zwischen den verfeindeten Republiken zu schweren Gefechten; die Kämpfe lagen jedoch Hunderte Kilometer nördlich von Berg-Karabach. Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, die dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat.
Das russische Aussenministerium rief beide Seiten auf, das Feuer sofort einzustellen. Zudem sollten Baku und Eriwan Gespräche aufnehmen, um die Situation zu stabilisieren.
Die Türkei steht an Aserbaidschans Seite
Die benachbarte Türkei warf Armenien vor, internationales Recht zu verletzen. Das Aussenministerium in Ankara teilte mit, es verurteile den "armenischen Angriff" scharf. Die Türkei stehe an Aserbaidschans Seite.
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Aserbaidschan Unterstützung zugesichert. "Die türkische Nation steht wie eh und je auch heute mit all ihren Möglichkeiten an der Seite ihrer aserbaidschanischen Geschwister", schrieb Erdogan auf Twitter.
Er habe seine Solidarität auch in einem Telefonat mit Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev ausgedrückt. Erdogan warf Armenien vor, eine Bedrohung für die Region darzustellen. Er rufe die ganze Welt dazu auf, an der Seite Aserbaidschans zu stehen, schrieb Erdogan.
Auch EU-Ratschef Charles Michel und der Europarat haben Armenien und Aserbaidschan dazu aufgefordert, die Gefechte in der Konfliktregion Berg-Karabach sofort zu beenden. Michel zeigte sich in einem Tweet am Sonntag tief besorgt. "Um eine weitere Eskalation zu verhindern, müssen militärische Handlungen dringend aufhören." Der einzige Ausweg sei die unverzügliche Rückkehr zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen. (dpa/lh)
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