500 Milliarden Euro wollen Angela Merkel und Emmanuel Macron für die von Corona stark gebeutelten EU-Staaten lockermachen. Der Süden ist happy über die geplanten EU-Hilfen, der Norden not amused. Auch aus Österreich kommt Widerstand. Das erneuerte deutsch-französische Tandem muss kämpfen - schliesslich braucht es die Zustimmung aller 27 EU-Staaten.
Der Plan ist ambitioniert - und könnte am Widerstand mehrerer EU-Mitglieder scheitern. Um notleidenden EU-Staaten nach der Coronakrise aufzuhelfen, wollen Deutschland und Frankreich ein europäisches Hilfspaket mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro schnüren.
Knackpunkt der deutsch-französischen Initiative: Wenn es nach
Merkel sagte am Montag, dies sei eine "aussergewöhnliche, einmalige Kraftanstrengung". In den vergangenen Wochen hatte sich Berlin noch gegen gemeinsame Schulden über den EU-Haushalt gesträubt.
Sebastian Kurz: Kredite ja - Zuschüsse nein
Für die Durchsetzung des deutsch-französischen Plans braucht es die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedsstaaten. Die ersten Reaktionen lassen darauf schliessen, dass er viel Widerstand wird überwinden müssen.
So pochen zum Beispiel Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden darauf, dass die EU nur rückzahlbare Kredite und keine Zuschüsse ausgibt. "Wir werden uns weiterhin solidarisch zeigen und Länder, die am stärksten von der Coronakrise betroffen sind unterstützen, jedoch muss dies über Kredite erfolgen und nicht über Zuschüsse", erklärte das österreichische Bundeskanzleramt in Wien am Montagabend.
Österreichs Kanzler
An diesem Dienstag will Merkel in einer Videokonferenz mit den Regierungschefs von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei für die Hilfspläne werben. Worum es genau geht:
Was ist die Idee hinter dem Plan?
Der Wiederaufbau soll über Kredite finanziert werden, die die EU-Kommission als Schulden am Kapitalmarkt aufnimmt. Die EU-Staaten müssten dafür in der nächsten mehrjährigen gemeinsamen Finanzplanung Garantien geben.
Denn wenn die Länder gemeinsam geradestehen, können sie zu günstigeren Konditionen Geld leihen, als das vielen Regierungen im Alleingang möglich wäre.
Wer zahlt - und wer profitiert?
Besonders betroffene Branchen und Regionen sollen Zuwendungen aus dem Fonds erhalten - keine Kredite. Die Empfängerstaaten müssen das Geld also nicht wieder zurücküberweisen.
Indirekt werden sie allerdings doch mit zur Kasse gebeten, denn sie zahlen weiterhin in den EU-Haushalt ein, aus dem die Schulden über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren wieder abgestottert werden.
Wie viel ein Land hier zahlt, hängt von seiner Wirtschaftskraft ab. Deutschland ist mit einem Anteil von ungefähr 27 Prozent der grösste Netto-Beitragszahler. Finanzschwächere Staaten profitieren also unter dem Strich besonders.
Wozu braucht es die finanziellen Hilfen?
Das Geld soll verhindern, dass Regionen in der Coronakrise völlig abgehängt werden. Es soll insbesondere den Wandel zu einer digitaleren und umweltverträglicheren Wirtschaft fördern sowie Forschung und Innovation.
Wie wird die Schuldenaufnahme geregelt?
Deutschland hatte sich lange gegen solche gemeinsamen Schulden über den EU-Haushalt gewehrt. Gemeinsame Anleihen ("Corona-Bonds") lehnte die Bundesregierung ab.
Die Finanzierung über den EU-Haushalt bedeutet nun, dass die üblichen EU-Haushaltsregeln gelten, nur Projekte finanziert werden und nicht etwa der Staatshaushalt einzelner Mitgliedsstaaten.
Der Unterschied zu Corona-Bonds ist auch, dass die gemeinsame Haftung für die Schulden begrenzt ist auf den Umfang der Garantien im Haushalt.
Was wurde bisher schon bezahlt?
Ein erstes Paket mit Kredithilfen von bis zu 540 Milliarden Euro war von den EU-Staaten bereits im April vereinbart worden. Beim geplanten Fonds geht es um längerfristige Unterstützung beim Wiederaufbau.
Wer unterstützt den Plan?
Zumindest aus Brüssel kam prompter Beifall. "Dies geht in die Richtung des Vorschlags, an dem die Kommission arbeitet", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die EU-Staaten hatten sie im April beauftragt, ein Modell für den Wiederaufbauplan zu erarbeiten. Der Vorschlag soll am Mittwoch kommender Woche vorgestellt werden.
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem Schritt in die richtige Richtung und forderte Kompromisswillen von allen 27 EU-Staaten.
Italien und Spanien sehen die Initiative von Merkel und Macron positiv. Es gebe aber noch Verbesserungspotenzial, hiess es in Regierungskreisen in Rom. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez schrieb auf Twitter von einer "Initiative, die auf einer Linie mit unseren Forderungen ist und bei der wir weiter vorwärtskommen müssen".
Wer ist gegen den Plan?
Einige EU-Länder, darunter die Niederlande und Österreich, haben weiter Vorbehalte dagegen, gemeinsame Schulden aufzunehmen und dieses Geld als Zuwendung an Krisenregionen zu geben.
Die als Kredit aufgenommenen Mittel dürften auch nur als Kredit weitergereicht werden, hiess es zum Beispiel am Montag von Seiten der österreichischen Regierung.
Hier ist noch Überzeugungsarbeit nötig. Denn der Plan muss von allen 27 Staaten einstimmig beschlossen werden, weil er mit dem siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen verknüpft ist. Die Erhöhung der Eigenmittelobergrenze muss zudem in allen 27 Staaten ratifiziert werden, in Deutschland vom Bundestag.
Was sagen die Osteuropäer?
Merkels osteuropäischen Gesprächspartner aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien nähme der deutsch-französische Plan zumindest eine grosse Sorge: Die Planung der Mittel im nächsten mehrjährigen EU-Haushalt, der dieses Jahr aufgestellt werden muss, soll nicht berührt sein. Das ist gerade für die osteuropäischen Staaten als Empfänger umfangreicher Strukturhilfen bedeutsam. (hub/dpa/afp)
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