Sebastian Kurz weht auf europäischer Bühne ein durchaus scharfer Wind entgegen. Viele feiern ihn, doch nicht allen ist der junge Shootingstar geheuer. Ist das gerechtfertigt?

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Der junge Mann galt als grosser Hoffnungsträger seiner Generation: hochintelligent, sprachgewandt und weltoffen. Wie viele andere träumte er von einer besseren, freieren Welt.

Mit Ende zwanzig begann der kometenhafte Aufstieg des Liberalen. Doch mit seinen Prinzipien war es nicht weit her: Bei der erstbesten Gelegenheit bog er scharf rechts ab und setzte auf das billige Spiel mit dem Populismus.

Die Rede ist nicht von Sebastian Kurz, sondern von Viktor Orbán, dem zunehmend autokratischen ungarischen Premier.

Doch gewisse Parallelen in den politischen Anfängen der beiden Politiker sind schwer zu leugnen.

Der Parteichef der NEOS, Matthias Strolz – einst ein enger Vertrauter von Kurz – hat vor einiger Zeit in einem Interview davor gewarnt, dass der österreichische Bundeskanzler einen ähnlichen Weg einschlagen könnte wie Orbán: "Er wird möglicherweise in einem sehr autoritären Regierungsstil enden", erklärte Strolz.

Vergleich mit Orbán nicht ganz fair

Wie Orbán hat Kurz seine politische Karriere als Liberaler begonnen. Als er 2011 zum Staatssekretär für Integration ernannt wurde, warb er um Verständnis für Zuwanderer und Flüchtlinge.

Heute schlägt er gegen die dieselbe Gruppe harte Töne an. In seinen Vorstellungen von der Migrationspolitik trennt ihn wenig von seinem Koalitionspartner, der FPÖ.

Freilich: Der Vergleich von Strolz ist hochspekulativ und zudem nicht ganz fair. Kurz hat bisher keinen Anlass geliefert, an seinen demokratischen Prinzipien zu zweifeln. Weder plant die österreichische Mitte-Rechts-Regierung Repressionen gegen kritische Medien und politische Gegner. Noch macht sie Anstalten, den Rechtsstaat anzutasten.

Der NEOS-Politiker sprach lediglich ein persönliches Unbehagen an: Was will Sebastian Kurz? Wofür steht er?

Ausland beobachtet Kurz genau

Doch auch im Ausland wird der neue Bundeskanzler zunehmend kritisch beobachtet. Als er diese Woche seine deutsche Amtskollegin und Parteifreundin Angela Merkel besuchte, waren in der deutschen Hauptstadt Berlin keineswegs "Kurz-Festspiele" angesagt, wie "Krone" eilfertig schrieb.

Stattdessen musste sich der junge Kanzler kritische Fragen der Talkshow-Moderatorin Sandra Maischerger zur rechten Vergangenheit seines Koalitionspartners FPÖ gefallen lassen. Und auch Merkel gab sich zurückhaltend: Sie werde die künftige Performance der österreichischen Bundesregierung genau beobachten, erklärte sie unterkühlt.

Mir ihrer Skepsis ist die mächtigste Frau Europas nicht alleine. Vorbei sind die Zeiten, als der Jungpolitiker Kurz von der internationalen Presse zum grossen Hoffnungsträger der Europäischen Union apostrophiert wurde.

Einen "Wunderknaben" nannte ihn die "Frankfurter Allgemeine" einst. Damals war Kurz allerdings noch Aussenminister und konnte auf eine erfolgreiche Bilanz zurückblicken: Auf der internationalen Bühne hatte er mit feinen Manieren und geschliffener Rhetorik eine gute Figur gemacht. Die Schliessung der Balkanroute für Flüchtlinge geht unter anderem auf sein Engagement zurück.

Man verglich Kurz mit Emanuel Macron, den ebenfalls jungen französischen Präsidenten, oder dem smarten kanadischen Premier Justin Trudeau.

Diese Zeiten sind vorbei. Viele Pressereaktionen in Deutschland fielen zwar positiv aus nach seinem Berlin-Besuch. Die Hamburger "Zeit" nennt Kurz aber einen "Salonpopulisten", die "Welt" einen "Anti-Macron" – weil er im Gegensatz zu diesem mit den Rechtspopulisten kungelt, anstatt sie politisch zu bekämpfen. Auch Macron selbst strich diesen Unterschied heraus, als Kurz ihn vor wenigen Wochen im Élysée-Palast besuchte.

Welche Ziele hat Sebastian Kurz?

Was aber lässt sich bisher über die Rolle des Kanzlers auf der europäischen Bühne wirklich sagen? Was hat er bereits bewirkt, wohin könnte die Reise gehen?

Festzuhalten ist, dass Kurz mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, als sein Vorgänger Christian Kern (SPÖ). Der junge Kanzler polarisiert: Er hat viele Fans und viele Gegner – aber er lässt kaum jemanden in Europa kalt.

Das wird sich kaum ändern, wenn Österreich in einigen Monaten die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und Kurz für ein halbes Jahr in der Union den Ton angeben wird.

Dabei ist seine bisherige inhaltliche Bilanz eher dürftig – zumindest, wenn man ihn mit Macron vergleicht, der bald nach seiner Angelobung seine europapolitischen Visionen dargelegt hat.

"Kurz hat noch nicht vermittelt, wie er gestalten will", sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. "Wir wissen nicht, welche Art von Österreich und welche Art von Europa er sich wünscht. Wir wissen nur, dass er Bundeskanzler werden wollte."

Über seine Ziele lässt sich allenfalls spekulieren. So hat Kurz schon im Wahlkampf anklingen lassen, dass er sich um ein besseres Verhältnis zu den innerhalb der EU zunehmend isolierten Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei bemühen will.

Die vier Länder liegen mit Brüssel wegen ihrer restriktiven Asylpolitik im Clinch, die Regierungen in Polen und Ungarn zeigen zudem deutlich antidemokratische Tendenzen.

Angst vor grundlegender Veränderung Österreichs? Unbegründet

Kurz hat Sympathie für den Anti-Asylkurs bekundet, nicht aber für die autokratischen Kurs in Budapest und Warschau. Im besten Fall könnte Österreich unter Kanzler Kurz eine Vermittlerrolle zwischen den Visegrad-Ländern und dem Rest der EU einnehmen – nicht zuletzt durch die jahrzehntelangen guten Beziehungen zu den östlichen Nachbarn.

Schafft es Kurz, eine Entspannungsphase einzuleiten und den Spalt durch Europa zu verkleinern? Dann könnte seine Bundesregierung eine historische Rolle in Europa spielen.

Was aber, wenn Kurz wie sein ungarischer Amtskollege langsam Gefallen am skrupellosen Spiel mit Ressentiments findet? Könnte dann eine Orbánisierung Österreichs drohen?

Der Wiener Politikwissenschafter und Meinungsforscher Peter Hajek glaubt jedenfalls nicht an diese Gefahr. "Die Gefahr, dass sich Österreich von Grund auf verändert, gibt es nicht", sagt er. Dazu sei die Position der Bundesländer – die sich gerne an der Regierung in Wien reiben – viel zu stark.

Anders als Macron oder Orbán sei Kurz abhängig von der Zustimmung der regionalen Machthaber zwischen Bregenz und Linz. "Der Föderalismus ist eine Beruhigungspille für alle, die sich vor dieser Regierung fürchten", sagt Hajek

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