Um den Import von Tierqualprodukten wie Stopfleber oder Froschschenkel zu verbieten, lancieren Tierschutzorganisationen eine Volksinitiative. Allerdings ist umstritten, ob geschächtetes Fleisch unter das Verbot fallen soll. Daher liebäugeln die Initianten mit einer originellen Lösung.
Aus Tierschutzgründen dürfen in der Schweiz keine Foie Gras (Stopfleber) oder Froschschenkel produziert werden. Der Import solcher Produkte ist hingegen erlaubt. Tierschützern ist dieser Widerspruch, der eine Reihe von Produkten betrifft, ein Dorn im Auge.
Weil ein Vorstoss für ein Importverbot im Schweizer Parlament scheiterte, greifen Tierschutzorganisationen nach dem Strohhalm der direkten Demokratie: Sie lancieren demnächst eine Volksinitiative.
Juden und Muslime brüskieren?
Brisant ist vor allem die Frage, ob geschächtetes Fleisch unter das Verbot fallen wird oder nicht. Schächten ist in der Schweiz seit 1893 verboten. Nur wenn das Tier vorher betäubt wird, darf es durch einen Halsschnitt und Ausbluten lassen getötet werden.
"Die Schweizerischen Gesetze sehen ein Schächtverbot vor. Vom Prinzip her ist es nicht einsehbar, weshalb sich Religionen über unser Gesetz hinwegsetzen sollen", sagt Michael Gehrken von Alliance Animal Suisse. Noch vergangenen Dezember hatte Gehrken gegenüber swissinfo.ch Halal- und Koscherfleisch vom geplanten Importverbot ausgenommen. "Die Grundrechte – insbesondere die Religionsfreiheit – sind in der Schweiz gewährleistet", erklärte Gehrken damals.
Geschickter Schachzug der Initianten
Was ist wichtiger: Tierschutz oder Religionsfreiheit? Diese Frage dürfte im Abstimmungskampf ein zentraler Streitpunkt sein. Gemäss Historikern hat das Stimmvolk das Schächtverbot Ende des 19. Jahrhunderts aus antisemitischen Gründen angenommen. Dies könnte nun gegen die Initiative ins Feld geführt werden.
Die Tierschutzorganisationen prüfen derzeit, ob sie die Initiative in Form einer "allgemeinen Anregung" lancieren sollen. Es bleibt dann dem Parlament überlassen, den Verfassungsartikel auszuformulieren und konkrete Produkte zu benennen. Laut Gehrken dauert dieses Vorgehen zwar eventuell etwas länger, hat aber den Vorteil, dass nicht schon im vorgängigen Abstimmungskampf Konflikte mit geltendem Recht debattiert werden müssten.
Mauerblümchen der direkten Demokratie
Dass es in der Schweiz zwei Arten von Volksinitiativen gibt, geht häufig vergessen. Von den rund 300 lancierten Volksbegehren wurden die meisten in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes eingereicht, nur elf in Form einer allgemeinen Anregung.
Der Unterschied: Stimmt das Volk einem ausformulierten Verfassungsartikel zu, so wird dieser zu geltendem Recht. Bei der allgemeinen Anregung hingegen muss das Parlament den Prosatext der Initianten zu einer konkreten Verfassungsbestimmung ausformulieren.
Die allgemeine Anregung ist nicht zu verwechseln mit einer Petition. Im Unterschied zu einer Petition kann das Parlament eine Volksinitiative in Form der allgemeinen Anregung nicht dankend zur Kenntnis nehmen und anschliessend in der Versenkung verschwinden lassen. Egal wie lange die Diskussion also dauern mag – am Ende müsste das Parlament zu einem Entscheid kommen, welche Produkte nicht mehr importiert werden dürfen. © swissinfo.ch
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