Wäre Anfang November abgestimmt worden, hätte die Selbstbestimmungs-Initiative an der Urne klar Schiffbruch erlitten.
Die gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten wäre ebenso deutlich angenommen worden. Bei der Hornkuh-Initiative wäre es zu einem knappen Ergebnis gekommen. Dies sind die Resultate der zweiten Trendbefragung der SRG SSR, durchgeführt durch das Forschungsinstitut gfs.bern.
Eine Ablehnung der Selbstbestimmungs-Initiative am 25. November 2018 "ist das wahrscheinlichere Szenario". Das schreiben die Politologen von gfs.bern im Bericht zur zweiten Welle der SRG SSR-SSR Trendbefragung für die nächsten Eidgenössischen Abstimmungen.
Bereits bei der ersten Befragungswelle Anfang Oktober hatte sich mit einem Ja-Anteil von 39 Prozent eine Ablehnung an der Urne abgezeichnet. Dieser Trend hat sich nun verstärkt: Noch 37 Prozent würden die Selbstbestimmungs-Initiative sicher oder eher annehmen. Klar zugelegt hat das Nein-Lager, das von 55 auf 61 Prozent zugenommen hat.
Einzig SVP mehrheitlich dafür
Die Initiative "Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungs-Initiative)" stammt aus der Feder der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Bei der Annahme einer Volksinitiative, die einem abgeschlossenen internationalen Vertrag widerspricht, soll die Bundesverfassung mit dem Initiativtext dem Vertrag vorgezogen werden. Wenn mit den beteiligten Staaten kein neuer Vertrag zustande kommt, soll er gekündigt werden.
In der Umfrage kann das Begehren einzig auf die Unterstützung der SVP-Wählerschaft zählen. "Darüber hinaus hat das Anliegen jedoch kaum Strahlkraft", halten die Politologen fest. So sprachen sich 87 Prozent der SVP-Parteigänger dafür aus, während bei allen anderen Parteien die Ja-Anteile bescheiden blieben. Einzig bei den Ungebundenen scheint das Anliegen mit 31 Prozent etwas mehr Unterstützung zu geniessen.
Wenig Support erhält die Volksinitiative mit 28 Prozent Ja gegenüber 68 Prozent Nein auch in der französischsprachigen Romandie. In der Deutsch- und der italienischsprachigen Schweiz sind die Verhältnisse ähnlich: 38 Prozent Ja gegenüber 58 Prozent (Deutschschweiz), respektive 59 Prozent Nein.
Sozialdetektive im Aufwind
Bei der zweiten Vorlage, der Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, geht es darum, neue Regeln für die Überprüfung einzuführen, ob jemand Anrecht auf eine Unterstützung hat. Für heisse Köpfe und schliesslich ein Referendum sorgte die Tatsache, dass neu auch "verdeckte Beobachtungen" möglich sein sollen, also der Einsatz so genannter Sozialdetektive. Sollte die Gesetzesänderung abgelehnt werden, wären keine Observationen möglich.
"Die Problematisierung der Vorlage ist kaum geglückt: Die Durchlöcherung der Privatsphäre ist nicht mehr eine mehrheitsfähige Schwäche der Vorlage", schreiben die Autoren der Befragung zum eindeutigen Resultat. So wollen 59 Prozent der Befragten die Vorlage annehmen, 38 Prozent lehnen sie ab. Damit hat das Ja-Lager zwei Prozentpunkte dazugewonnen, das Nein-Lager einen verloren.
Klar sichtbar ist bei der Parteigebundenheit ein Rechts-Links-Graben. In den Sprachregionen sind die deutsch- (62 Prozent) und die italienischsprachige Schweiz (61 Prozent) klar dafür, während das Anliegen in der Westschweiz mit 48% nur auf eine relative Mehrheit kommt. 45 Prozent der befragten Französischsprachigen würden die Gesetzesänderung ablehnen, hätten sie Anfang November abgestimmt, während dieser Wert in der restlichen Schweiz bei lediglich 35 Prozent liegt.
Hornkuh-Initiative auf der Kippe
Einen dramatischen Einbruch mussten die Befürworter der Hornkuh-Initiative einstecken. Die Zustimmungsrate sank seit der ersten Umfrage von 58 auf 49 Prozent, womit die Initiative gegenwärtig nur noch über eine relative Mehrheit verfügt. Dafür konnte das Nein-Lager von 36 auf 46 Prozent zulegen. Die Initiative verlangt, dass Landwirtinnen und Landwirte, die ihren Tieren die Hörner lassen, mit einem Bundesbeitrag unterstützt werden sollen.
Am meisten Zustimmung erhält das Volksbegehren aus den Reihen der Grünen, der Sozialdemokratischen Partei (SP), der SVP und der Parteiungebundenen. Wählerinnen und Wähler der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) stehen dem Anliegen eher ablehnend gegenüber.
In den Sprachregionen kann die Initiative in der italienischsprachigen Schweiz auf eine absolute Mehrheit zählen: 61 Prozent hätten hier ein Ja in die Urne gelegt. In der Deutschschweiz wären es genau 50 Prozent gewesen, während die Zustimmung in der Romandie bei lediglich 44 Prozent liegen würde. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könne deshalb bei dieser Vorlage von einer "Fortsetzung des Nein-Trends und damit Ablehnung der Initiative" ausgegangen werden, so gfs.bern.
Abschliessend halten die Politologen fest, dass sich die Stimmabsichten zu allen Vorlagen im Zeitvergleich "in Richtung der Position von Bundesrat und Parlament verstärkt" haben. "Bei den beiden Initiativen äussert sich das in Nein-Trends, bei der Gesetzesvorlage in Form eines Ja-Trends. Die Entwicklungen sprechen in allen drei Fällen für den Normalfall der Meinungsbildung."
swissinfo.ch
Die gfs.bern-Trendbefragungen
Vor jeder Abstimmung erstellt das Forschungsinstitut gfs.bern zwei Trendumfragen.
Für die zweite Ausgabe zum Urnengang vom 25. November befragten die Meinungsforscher zwischen dem 31. Oktober und dem 7. November 3683 repräsentativ ausgewählte und über alle Sprachregionen der Schweiz verteilte Stimmberechtigte. Die Fehlerquote beträgt ±2,7 Prozentpunkte.
Die Umfrage wurde im Auftrag der SRG SSR durchgeführt, der auch swissinfo.ch angehört.
Erstmals wurde die telefonische Umfrage durch eine Online-Befragung von Stimmberechtigen ergänzt, mit dem Ziel die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen. © swissinfo.ch
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