Es war keine triumphale Rückkehr: Zwei Jahre nach seinem letzten persönlichen Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz konnte der ukrainische Präsident keinen Erfolg im Kampf gegen den russischen Aggressor verkünden, sondern musste den Rückzug seiner Truppen aus der ostukrainischen Stadt Awdijiwka erklären.
Sein Land brauche mehr Waffen und mehr Munition, um Erfolge zu erzielen, rief Selenskyj in München einmal mehr den westlichen Verbündeten zu. Die zeigten zwar die gleiche Geschlossenheit wie vor einem Jahr - eine vage Hoffnung auf einen ukrainischen Sieg ist aber der Realität gewichen, dass Europa sich auf einen langen Konflikt mit Moskau einstellen muss.
Es war Selenskyjs erster Auftritt in München seit Beginn des Krieges am 24. Februar 2022. Vor zwei Jahren hatte er auf der Konferenz eindringlich vor der russischen Bedrohung gewarnt - die wenige Tage später Realität wurde. Im vergangenen Jahr kündigte er per Videoschaltung mit Verweis auf die biblische Sage den "Fall Goliaths" an - die ukrainischen Gegenoffensive wurde ungeduldig erwartet.
Von einem ukrainischen Sieg war auf den Podien des Bayerischen Hofs dieses Jahr nicht die Rede. Stattdessen beschwor Bundeskanzler
Europa stellt sich nun auf einen längeren Krieg ein, das zeigten auch die Sicherheitsvereinbarungen, die Paris und Berlin am Freitag mit Kiew unterzeichneten. Der Bundeskanzler drängte die europäischen Partner nicht nur zu mehr Militärhilfe für die Ukraine, sondern forderte auch die Stärkung des "europäischen Pfeilers der Nato".
Für Deutschland gab er das Ziel aus, dass es in den 2020er und 2030er Jahren "und darüber hinaus" zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben. Sein Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gab zu bedenken, dass selbst dieses Geld womöglich nicht ausreichen werde.
Mit seinen Mahnungen war der Bundeskanzler nicht allein in München. Die Aufrüstung Europas war in beinahe allen Beiträgen zum Thema Ukraine gegenwärtig. Der Tenor: Europa muss stärker werden und in der Lage sein, sich selbst verteidigen.
Die Gründe liegen auf der Hand. Auch wenn der Name Donald Trump in München eher selten fiel, die jüngsten Äusserungen des ehemaligen und möglicherweise künftigen US-Präsidenten zur transatlantischen Bündnistreue führten einmal mehr vor Augen, dass das alleinige Vertrauen auf die USA nicht mehr reicht - auch ganz unabhängig davon, wer die Präsidentschaftswahl im November gewinnt.
Das Szenario eines russischen Angriffs auf Nato-Gebiet wird sich in den kommenden Jahren in den Verteidigungsetats der europäischen Länder widerspiegeln. Das Geld werde an anderer Stelle fehlen, gab Scholz zu, doch stellte er fest: "Ohne Sicherheit ist alles andere nichts."
Die 60. Münchner Sicherheitskonferenz wird auch wegen einer Tragödie in Erinnerung bleiben, die sich tausende Kilometer entfernt in der russischen Polarregion ereignete. Unmittelbar vor Beginn der Konferenz verbreitete sich die Nachricht vom Tod des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny in russischer Haft und wurde mit Unglauben und Schrecken aufgenommen. US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach in München von einem "neuen Zeichen der Brutalität" des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja, die in München über die Möglichkeiten eines "besseren Russlands" hatte reden wollen, sprach stattdessen als Witwe zu den Teilnehmern. In einer bewegenden Ansprache forderte sie nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Todes ihres Mannes die Bestrafung Putins und seiner Verbündeten "für das, was sie unserem Land, meiner Familie und meinem Mann angetan haben".
Sie wurde mit stehenden Ovationen im Bayerischen Hof bedacht. "Wir sollten heute gegen dieses schreckliche Regime in Russland kämpfen", sagte sie mit Tränen in den Augen, um Fassung ringend und doch entschlossen. Selenskyj sprach im Zusammenhang mit Nawalnys Tod von einer "Botschaft" Moskaus an die Konferenz. Für das Jahr 2024 forderte er eine "Reaktion von allen" - sonst werde Putin es zu einer "Katastrophe für alle" machen. © AFP
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.