- Am 8. Juli hatte ein 41-jähriger Mann Japans ehemaligen Ministerpräsidenten Shinzo Abe auf offener Strasse erschossen.
- In Polizeiverhören hat der Attentäter nun seine Beweggründe für den Mord dargelegt - neben Armutsängsten soll den arbeitslosen Mann demnach der Hass auf eine Sekte zur Tat getrieben haben.
Die Gewalttat hat Japan schockiert: Am 8. Juli hatte ein Attentäter den ehemaligen Ministerpräsidenten Shinzo Abe während einer Wahlkampfrede in der alten Kaiserstadt Nara niedergeschossen – auf offener Strasse und mit einer selbstgebauten Waffe aus wenigen Metern Entfernung. Wenige Stunden später wurde der 67-Jährige im Krankenhaus für tot erklärt.
Der Attentäter, ein 41-jähriger Arbeitsloser, will neben Hass auf eine religiöse Sekte auch von Armutsängsten getrieben gewesen sein. "Ich dachte, dass das Geld bis Ende Juli ausgehen würde und der Plan (für den Mordanschlag) nicht umgesetzt werden könnte", sagte er im Verhör aus, wie die japanische Nachrichtenagentur Jiji am Dienstag unter Berufung auf Ermittlungskreise berichtete.
In einem Brief an einen Kritiker der umstrittenen Vereinigungskirche, die auch als Mun-Sekte nach ihrem koreanischen Gründer San Myung Mun bekannt ist, hatte der Mann laut Medienberichten seine Absicht zur Ermordung von Abe vor dem Anschlag bereits angedeutet.
Verbindungen zwischen Sekte und Japans Regierungspartei
Der Attentäter sagte nach seiner Verhaftung aus, er habe aus Hass auf die Sekte gehandelt, die Abe in Japan unterstützt habe. Seine Mutter habe der Organisation horrende Summen gespendet, was sie ruiniert und die Familie zerrüttet habe. In dem Brief an den Kritiker schrieb er laut Medien, er sei "verbittert" gegenüber Abe, den er als "einen der einflussreichsten Sympathisanten der Vereinigungskirche" beschrieb. Der Ex-Premier war im vergangenen Jahr anlässlich einer Veranstaltung der Sekte, die sich seit 1996 "Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung" nennt, in einer Video-Grussbotschaft aufgetreten.
Zwei Tage darauf erzielte Abes regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) bei der Wahl zum Oberhaus einen erwarteten haushohen Sieg. Laut Experten unterhält die Sekte Beziehungen zu der nationalkonservativen Partei, die bis zu Abes Grossvater, dem früheren Premier Nobusuke Kishi zurückreichen. Abes Attentäter beschuldigt diesen laut Medien, die Sekte nach Japan geholt zu haben. Diese war 1954 von dem inzwischen verstorbenen Koreaner Mun gegründet worden. Kishi und Mun verband ihre anti-kommunistische Haltung, so Experten.
Japan plant Staatsbegräbnis für Shinzo Abe
Tausende Menschen hatten vier Tage nach Abes Ermordung Abschied von ihm genommen. Die Trauernden versammelten sich entlang der Strassen im Zentrum Tokios, als ein Leichenwagen mit dem Sarg des Verstorbenen ehemalige Wirkungsstätten des Politikers abfuhr. Zuvor hatten bereits Angehörige und Freunde des langjährigen Regierungschefs an einer privaten Trauerfeier im Zojoji-Tempel teilgenommen.
Im Herbst wird Japan zudem ein Staatsbegräbnis für den ermordeten Ex-Premier abhalten. Abe "wurde von der internationalen Gemeinschaft, einschliesslich ausländischer Staatsoberhäupter, sehr geschätzt", sagte Ministerpräsident Fumio Kishida am vergangenen Donnerstag vor Reportern. Es seien Trauerbotschaften aus aller Welt eingetroffen. Vor diesem Hintergrund sowie um zu zeigen, dass Japan "der Gewalt nicht nachgibt und entschlossen ist, die Demokratie zu schützen", werde ein Staatsbegräbnis stattfinden, sagte Kishida weiter.
Aussenpolitik an der Seite der USA
Abe war insgesamt fast neun Jahre lang als Regierungschef im Amt, bevor er 2020 aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Seine lange Amtszeit, der Wiederaufbau nach der Atomkatastrophe von Fukushima sowie seine Aussenpolitik, die vor allem von engen Beziehungen zu den USA geprägt war, würden bei der Veranstaltung gewürdigt, sagte Kishida.
Japanischen Medien zufolge wird es das zweite Staatsbegräbnis für einen ehemaligen Ministerpräsidenten im Nachkriegsjapan sein. 1967 war diese Ehre Shigeru Yoshida zuteil geworden. (dpa/afp/mf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.