Sicherheitsexperten erwarten, dass Putin den tödlichen Anschlag in der Nähe von Moskau für seine Zwecke nutzen wird. Der Angriff, bei dem über 130 Menschen starben, könnte ihm dazu dienen, Russland als bedroht darzustellen und die Repression im Inneren zu verstärken.
Nach dem tödlichen Angriff auf eine Konzerthalle nahe Moskau rechnen deutsche Sicherheitsexperten damit, dass
Putin habe Warnungen vor Anschlägen ignoriert und die innere Sicherheit des Landes zugunsten des Krieges vernachlässigt, fuhr Lange fort. Das räche sich nun. "So oder so" werde Russland zudem westliche Geheimdienste, die Ukraine und die Nato verantwortlich machen, "auch um vom Versagen Putins abzulenken".
Putin ignoriert IS-Bekenntnis
Ähnlich äusserte sich in der Zeitung der Politikwissenschaftler Thomas Jäger. Er rechne damit, dass Putin den Angriff mit über 130 Toten nutzen werde, um Russland "als bedroht darzustellen, als von Feinden umgeben, gegen die es mit aller Gewalt vorgehen muss". Das bedeute, die Repression im Inneren zu verstärken und nach aussen den Krieg gegen die Ukraine zu intensivieren. Gleichzeitig dürften die "Desinformationskampagnen gegen demokratische Staaten hochgefahren" werden, vermutete der Lehrstuhlinhaber für Internationale Politik an der Universität Köln.
Zu dem Angriff vom Freitagabend hatte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannt. Sie veröffentlichte auch ein mutmasslich von den Angreifern gedrehtes Tatvideo. Zu sehen und zu hören sind darauf mehrere mit Sturmgewehren und Messern bewaffnete Menschen, die offenbar in der Eingangshalle der Crocus City Hall im Moskauer Vorort Krasnogorsk Schüsse abfeuern.
Der IS hatte sich bereits kurz nach der Tat zu dem Überfall bekannt. Die russischen Behörden gingen jedoch nicht auf dieses Bekenntnis ein. Vielmehr stellte Putin in einer Fernsehansprache eine Verbindung der mutmasslichen Täter zur Ukraine her. Die Regierung in Kiew wies jegliche Verwicklung in die Angriff zurück.
Kiesewetter rechnet mit Mobilisierungswelle
Der CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter brachte auch eine mögliche Urheberschaft von Russland selbst ins Spiel: "Ausgeschlossen werden kann zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht, dass es sich um eine False-Flag-Operation Russlands selbst handelt, auch wenn ein islamistischer Hintergrund durchaus wahrscheinlich erscheint, zumal sich der IS dazu bekannte", sagte er ebenfalls der "Bild am Sonntag".
Kiesewetter rechnet zudem mit einer neuen Mobilisierungswelle nach dem Angriff. Mit seinen Schuldzuweisungen an die Ukraine arbeite er daran, "diesen Terroranschlag taktisch für seine Kriegsführung zu nutzen", sagte auch er der Zeitung. (afp/phs)
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