NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommt am Donnerstag nach Bern. Sein Besuch fällt in eine unsichere Zeit: Europa versucht sich sicherheitspolitisch neu aufzustellen und erwartet auch von der neutralen Schweiz einen Beitrag.
Es sind nicht gerade einfache Zeiten für die NATO: Das transatlantische Militärbündnis – eine der tragenden sicherheitspolitischen Organisationen Europas – steht aufgrund der unsicheren US-Bündnistreue unter Druck.
An der Münchner Sicherheitskonferenz vor zwei Wochen waren sich die Teilnehmer darin einig, dass die Welt im Moment so unsicher sei wie schon lange nicht mehr.
Das hat auch Konsequenzen für die Schweiz, wie Verteidigungsminister Guy Parmelin in München gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sagte: "Natürlich sind wir neutral. Doch befinden wir uns mitten in Europa. Wird unser Kontinent destabilisiert, dann hat das auch einen Einfluss auf die Schweiz." Parmelin kündigte mehr militärische Kooperation insbesondere mit den Nachbarstaaten an.
"Zuerst mal zuhören"
Um grenzüberschreitende Kooperation wird es beim offiziellen Besuch des NATO-Generalsekretärs wohl kaum gehen, wie Sicherheitsexperte Albert A. Stahel sagt. Er rechnet damit, dass Stoltenberg bei seinem Besuch in Bern allenfalls die zwei Prozent-Forderung der NATO von 2014 an die europäischen Mitglieder erwähnen wird.
Damals hatten sich die Mitgliedstaaten bei einem Gipfeltreffen im walisischen Newport darauf geeinigt, wieder mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in die Verteidigung zu investieren. Zurzeit fliessen gerade mal gut 0,7 Prozent des Schweizer BIP in die Verteidigung.
"Wir werden zuerst mal zuhören und sehen, was Stoltenberg zu sagen hat", sagte Verteidigungsminister Parmelin gegenüber SRF. Bei der NATO wisse man, dass es für die neutrale Schweiz Grenzen gebe. Engere Verbindungen zum Militärbündnis seien "hierzulande ein hochsensibles Thema".
In der Tat hat die Idee einer engeren Kooperation mit der NATO in der Schweiz einen schweren Stand und wäre wohl kaum mehrheitsfähig: Sowohl aufgrund des militärkritischen linken politischen Lagers als auch wegen der Rechten, welche stets die Neutralität des Landes betont.
Zusammenarbeit "à la carte"
Die Schweiz ist nicht Mitglied der NATO sondern gehört zu den 22 sogenannten "Partnerstaaten" des Bündnisses. Sie beteiligt sich seit 1996 an der sogenannten "Partnerschaft für den Frieden" (PfP) und kann so nach eigenen Worten "mit der NATO und anderen Partnerstaaten punktuell und nach eigenen Interessen sicherheitspolitisch zusammenarbeiten".
Die Neue Zürcher Zeitung spricht von einer Zusammenarbeit "à la carte". Und findet, etwas Verlegenheit sei in den Beziehungen der Schweiz zum Militärbündnis immer dabei. Schliesslich stehe Bern seit Jahrzehnten unter dem NATO-Schirm, ohne Mitglied zu sein.
Stahel braucht deutlichere Worte: Die Schweiz sei aufgrund ihrer 1995 eingeleiteten Abrüstung der Armee schlicht "NATO-unwürdig". "Sie stellt – zusammen mit Österreich – beinahe ein militärisches Vakuum in Europa dar", so der Leiter des Instituts für Strategische Studien Wädenswil. © swissinfo.ch
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