Taiwans von der Opposition kontrolliertes Parlament hat unter Protesten Tausender Gegner ein umstrittenes Gesetz zum Nachteil der Regierung erweitert.
Kritiker befürchten, dass die chinafreundlichen Parteien mit der Entscheidung vom Dienstag die Demokratie und die frisch vereidigte Regierung von Präsident Lai Ching-te schwächen und damit dem mächtigen Nachbarn China einen Gefallen erweisen. Konkret kann das Parlament durch die neuen Beschlüsse mehr Informationen etwa von Regierungsbehörden oder Militäreinheiten abfragen. "Das Parlament wird eine Plattform für das Durchsickern von Geheimnissen, weil Peking Schlüsselinformationen durch chinafreundliche Abgeordnete erlangen kann", kritisierte Kuo Kuo-wen von der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP).
Ausserdem bekommt das Parlament mehr Macht, den Präsidenten zu befragen und seinen Bericht zur Lage der Nation regelmässiger zu hören. Die Entwürfe hatte die nationalchinesische Kuomintang mit vorgebracht, die neben der Taiwanischen Volkspartei als besonders pekingfreundlich gilt. Ihr umstrittener Ex-Chef und Taiwans früherer Präsident Ma Ying-jeou hatte im April etwa Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Peking getroffen und sich für mehr Austausch zwischen der kommunistischen Volksrepublik und dem demokratischen Taiwan eingesetzt. Die chinesische Regierung sieht die Inselrepublik als Teil ihres Territoriums und wirft Lais DPP Separatismus vor, weil diese für eine Unabhängigkeit Taiwans steht. Jüngst schüchterte China Taiwan erneut mit einem grossen Militärmanöver ein.
Lai hatte am 13. Januar zwar die Präsidentschaftswahl gewonnen - allerdings verlor die DPP im Parlament die absolute Mehrheit, was ihr die Regierungsarbeit nun deutlich erschwert, weil sie für ihre Vorhaben die Stimmen aus dem oppositionellen Lager braucht. Tausende Menschen demonstrierten am Dienstag gegen das Vorhaben der KMT vor dem Legislativ-Yuan, Taiwans Parlament. Forscher Wu Rwei-ren vom Institut für Taiwan-Geschichte der Academia Sinica sagte vor der Menge, ausländische Beobachter gingen davon aus, dass das von der Opposition kontrollierte Parlament eine Neuordnung der Macht anstrebe.
Die Opposition hatte zuvor versucht, Gesetzentwürfe im Schnellverfahren durchs Parlament zu bringen. "Ich kann es nicht tolerieren, dass unverantwortliche Parlamentarier den Vorgang, den Entwurf Abschnitt für Abschnitt zu bewerten, überspringen", sagte eine Demonstrantin der Deutschen Presse-Agentur vor dem Parlament. "Ich mache mir solche Sorgen über eine schrittweise Aushöhlung von Demokratie und Freiheit." © dpa
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