Die Regierung will 2,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau pumpen. Aber löst das wirklich die derzeitige Wohnungsnot? Oder wo würde das Geld landen?

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Mit 2,5 Milliarden Euro könnte man viele Wohnungen bauen. Vermietet man sie zu günstigen Preisen an Geringverdiener, könnte das den grossen Wohnraummangel in den Städten lindern, so hofft die Bundesregierung.

Sie plant eine "Wohnraumoffensive" und will jene Summe in den sozialen Wohnungsbau stecken. Insgesamt sollen bis 2021, rund 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Bezahlbares Wohnen sei "die zentrale soziale Frage", so begründete Innen- und Bauminister Horst Seehofer. Doch löst man diese Frage tatsächlich auf diesem Weg?

Nur ein Tropfen auf den heissen Stein

Insgesamt fehlen rund zwei Millionen Wohnungen bundesweit, beziffern Wirtschaftsforschungsinstitute. Vor allem in den Grossstädten gibt es zu wenig Wohnraum für alle Einwohner.

Um das zu ändern, müssten 375.000 bis 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Errichtet wurden zuletzt aber nur 285.000 Einheiten, trotz des grossen Baubooms. So haben sich die Mieten seit 2008 rasant erhöht und in einigen Städten sogar verdoppelt.

Rein statistisch, gemessen an den Durchschnittsbaukosten, könnten von den 2,5 Milliarden Euro knapp 15.000 70-Quadratmeter-Wohnungen gebaut werden. Oder sogar 20.800 Wohnungen, die 50 Quadratmeter gross sind.

Allein in einer Stadt wie München aber werden zurzeit 60.000 bis 80.000 Einheiten dringend gebraucht. Zudem gilt die Zahl nur, wenn Bund, Land oder Kommunen als Bauherren keine Grundstücke erwerben müssen. Sonst nämlich würde nicht einmal ein Bruchteil der 20.000 Neubauwohnungen entstehen. Das macht deutlich: Das gross angelegte Bauprogramm ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Die Experten sind sich uneins

Zudem streiten die Immobilienexperten, wie sinnvoll geförderter Wohnbau überhaupt ist: Er ist es unbedingt, findet Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Der Staat müsse die Mittel für den sozialen Wohnbau sogar eher erhöhen als reduzieren. Nur so sorge er dafür, dass mehr bezahlbarer Wohnraum für Normal- und Geringverdiener entstehe.

Tatsächlich vermieten landeseigene Immobiliengesellschaften ihre Bestände 60 Cent günstiger pro Quadratmeter als laut Mietspiegel erlaubt, ergab eine aktuelle Studie für Berlin. Bei Wiedervermietungen blieben die Landesgesellschaften rund 30 Prozent unterm Markt.

Zudem sinkt die Zahl der Sozialwohnungen hierzulande: Allein seit 2008 hat sie sich um 830.000 reduziert, weil viele ehemals geförderte Wohnungen im Lauf der Jahre aus der Mietpreisbindung kippen. Bis 2020 werden es statt heute 1,2 Millionen Wohnungen nur noch 1,07 Millionen sein. Nur mit Neubau kann der Bund diesen Rückgang abfangen.

Unsinn, er sollte sich den Neubau sparen, sagt dagegen der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums. Er spricht sich entschieden gegen die Förderung des sozialen Wohnungsbaus aus: "Nur der Marktmechanismus schafft es, dieses Verteilungsproblem oder das Knappheitsproblem zu lösen." Man solle lieber den frei finanzierten Bau forcieren und schneller Bauland ausweisen.

Gegen mehr Sozialwohnungen spricht zudem, so sagen Immobilienexperten wie Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), dass "viele Sozialwohnungen schon jetzt nicht denen zugutekommen, die sie brauchen."

Denn die Fehlbelegungsquote ist hoch, ermittelte eine Studie des IW: Grundsätzlich haben nur Menschen Anspruch auf eine Sozialwohnung, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens haben und per Definition als arm gelten.

Doch nur 45 Prozent der Sozialwohnungsmieter haben tatsächlich so wenig Einkommen. Die allermeisten verdienen mehr. Weil sie schon lange in ihren Wohnungen leben und sich ihr Einkommen gesteigert hat. So nehmen sie den wirklich Bedürftigen billigen Wohnraum weg.

Wie kann das Problem gelöst werden?

Könnte man dann nicht besser kontrollieren, an wen Sozialwohnungen vermietet werden? "Schwierig", findet Voigtländer, "das wäre bürokratisch und unpopulär." Es gäbe aber die Möglichkeit, die Miete ans Einkommen zu koppeln, in Berlin macht man es. Dort müssten die Bewohner auch regelmässig ihr Gehalt nachweisen. Die Miete wird dann angepasst.

Besser als eine "objektbezogene Förderung", also die Subvention von Wohnungen, wäre ohnehin eine "Subjektförderung", also monatliche Wohngeldzuschüsse für Bedürftige. Ganz egal in welchen Wohnungen sie leben, finden selbst Mieterbündnisse.

So könnte der Staat mit 2,5 Milliarden Euro statt 20.100 Wohnungen zu schaffen, knapp 695.000 Bundesbürgern jeden Monat 300 Euro Mietzuschuss zahlen. Jeweils 100.000 Bewohner in den sieben grossen Städten könnten dann leichter ihre Wohnungen bezahlen. Mehr Wohnraum für alle schafft das allerdings nicht.

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