Beim Staatsbesuch des türkischen Präsidenten sind die Verwerfungen im deutsch-türkischen Verhältnis offen zutage getreten. Beim Staatsbankett am Abend fühlte sich Erdogan von Bundespräsident Steinmeiers Rede offenbar provoziert und reagierte wütend.
Bundespräsident
Bei einem Staatsbankett für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beklagte Steinmeier am Freitag den starken Druck auf die Zivilgesellschaft und die Verfolgung und Inhaftierung von Regierungskritikern in der Türkei.
Steinmeier: "Sorge mich um die Menschen in Haft"
"Ich hoffe, Herr Präsident, Sie verstehen, dass wir darüber nicht zur Tagesordnung übergehen", sagte der Bundespräsident zu seinem Staatsgast.
"Heute suchen beunruhigend viele [Menschen, Anm.d.Red.] aus der Türkei bei uns Zuflucht vor wachsendem Druck auf die Zivilgesellschaft", sagte Steinmeier. "Ich sorge mich als Präsident dieses Landes um deutsche Staatsangehörige, die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert sind." Ebenso gelte seine Sorge den "türkischen Journalisten, Gewerkschafter, Juristen, Intellektuelle und Politiker, die sich noch in Haft befinden".
In der Türkei sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes derzeit fünf deutsche Staatsbürger aus politischen Gründen in Haft.
Erdogan reagiert wütend auf Steinmeier-Rede
Dass Steinmeier bei seiner Rede auf dem Staatsbankett auf diese Punkte zu sprechen kam, löste einige Verwunderung auf Seiten der türkischen Delegation aus.
Erdogan wies die deutschen Vorwürfe wegen der Menschenrechtslage in der Türkei in scharfer Form zurück.
In den letzten Minuten seiner Rede wich Erdogan allerdings von seinem vorbereiteten Manuskript ab und reagierte spontan auf die Rede Steinmeiers. Dabei wurde er emotional, teilweise wütend.
Erdogan übte Kritik an der Bundesregierung und bekräftigte seine Forderung nach einer Auslieferung des Journalisten Can Dündar.
Der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" werde in Deutschland "auf dem Silbertablett herumgereicht", obwohl er in der Türkei zu einer Haftstrafe verurteilt worden sei.
Kritik an Deutschland übte Erdogan auch mit Blick auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). "Tausende von PKK-Mitgliedern laufen jetzt gerade ganz frei und unbehelligt durch Deutschland", sagte er. "Sollen wir darüber etwa nicht sprechen? Sollen wir dazu nichts sagen?"
Differenzen "im gegenseitigen Respekt" überwinden
Gegen Ende seiner Rede lenkte der türkische Präsident wieder etwas ein. "Eigentlich hätte ich an diesem Abend nicht über so etwas reden wollen", sagte er. "Aber da der Herr Präsident das angesprochen hat, war ich gezwungen darüber zu sprechen."
Bestehende Meinungsunterschiede sollten "im gegenseitigen Respekt, Dialog und mit den Möglichkeiten der Diplomatie" überwunden werden, sagte er zuvor.
"Es gibt kein Problem, das sich der türkisch-deutschen Freundschaft und den gemeinsamen Interessen in den Weg stellen könnte", sagte Erdogan.
Zu dem Staatsbankett hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen. Mehrere Oppositionspolitiker blieben dem Abendessen im Berliner Schloss Bellevue aus Protest gegen die autoritäre Politik Erdogans fern.
Köln sagt Ditib-Einweihung in bisheriger Form ab
Am Samstag will die Moschee Türkisch-Islamischen Union Ditib am Samstagnachmittag vor 500 geladenen Gästen eröffnen und eine Rede halten.
Die Stadt Köln sagte die geplante Einweihung der Ditib-Zentralmoschee in ihrer bisherigen Form wegen Sicherheitsbedenken ab.
Die Aussenveranstaltung mit bis zu 25.000 erwarteten Besuchern könne "nicht genehmigt werden", sagte die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Grund sei, dass in der Kürze der Zeit vom Veranstalter Ditib "kein ausreichendes Sicherheitskonzept" vorgelegt worden sei. "Das ist sehr bedauerlich, aber eine unüberschaubare Menschenansammlung dürfen wir einfach nicht akzeptieren."
An der Veranstaltung werden keine Bundes- und Landespolitiker teilnehmen. Auch Oberbürgermeisterin Reker hatte ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt, da die Rolle der Stadt bei der Eröffnungsfeier bis zuletzt unklar geblieben sei.
Die Polizei ist bei Erdogans Köln-Besuch mit mehr als 3.000 Beamten im Einsatz. Bei zahlreichen Kundgebungen kritisierten in Berlin Kritiker gegen den umstrittenen Staatsgast.
An der Grossdemonstration "Erdogan not welcome" am Potsdamer Platz verzeichnete die Polizei eine Teilnehmerzahl im niedrigen vierstelligen Bereich. Die Veranstalter hatten mit 10.000 Teilnehmern gerechnet. (jwo/AFP/dpa)
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