Die Kanzlerin verrät nicht einmal nach insgesamt vier Zitteranfällen nicht viel über ihre Gesundheit. Doch ist diese wirklich nur Privatsache? In anderen Ländern wird der Gesundheitszustand der Staats- und Regierungschefs ebenfalls wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Es gibt aber auch andere Beispiele.
Eine solche Szene hat es vor dem Kanzleramt in Berlin noch nicht gegeben. Bundeskanzlerin
Jetzt haben ihre Leute im Kanzleramt einen Weg gefunden, eine Wiederholung zu vermeiden. Trotzdem bleiben viele Fragen rund um die Gesundheit der Kanzlerin offen. Eine ganz einfache lautet: War Merkel eigentlich beim Arzt? Selbst das beantwortet sie nur indirekt. Man dürfe davon ausgehen, "dass ich erstens um die Verantwortung meines Amtes weiss und deshalb auch dementsprechend handele - auch was meine Gesundheit anbelangt", sagt sie am Donnerstag auf der Pressekonferenz mit Frederiksen auf eine entsprechende Frage. "Und zweitens dürfen Sie davon ausgehen, dass ich auch als Mensch ein grosses persönliches Interesse daran habe, dass ich gesund bin und auf meine Gesundheit achte."
Wie viel muss Deutschland wissen?
Muss man ihre Schweigsamkeit respektieren oder haben rund 80 Millionen Deutsche das Recht, mehr über ihre Kanzlerin zu erfahren? Das wird in Berlin zunehmend kontrovers diskutiert. "Merkel verweigert sich den Grundsätzen der transparenten Rechnungslegung, die beim Spitzenpersonal immer auch den eigenen Gesundheitszustand einschliesst", schreibt zum Beispiel der Journalist Gabor Steingart am Donnerstag in seinem "Morning Briefing".
In anderen Ländern wird die Privatsphäre von Spitzenpolitikern jedenfalls weitaus weniger geachtet als hierzulande. In den USA ist es beispielsweise Konsens, dass Präsidenten und Präsidentschaftsbewerber Einblick in medizinische Details geben. So lud der inzwischen gestorbene Republikaner John McCain im Mai 2008 rund 20 Journalisten ein, um mehr als tausend Seiten seiner Gesundheitsakten durchzugehen. Der Präsidentschaftskandidat war zu diesem Zeitpunkt 71 Jahre alt, er sah sich Fragen ausgesetzt, ob er gesundheitlich überhaupt in der Lage sei, das mächtigste Amt der Welt auszuüben.
Schwächeanfall bei Hillary Clinton
Im Wahlkampf 2016 sorgte dann die demokratische Kandidatin Hillary Clinton für Schlagzeilen, weil sie eine Lungenentzündung geheim gehalten hatte. Bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York hatte sie einen Schwächeanfall erlitten. Videobilder einer wegsackenden Kandidatin, die von anderen gestützt werden musste, machten die Runde. Ihr Team brauchte recht lange, um überhaupt zu reagieren und sprach zunächst von einem Hitzeanfall. Clinton hatte ohnehin Glaubwürdigkeitsprobleme, für den Umgang mit der Krankheit wurde sie heftig kritisiert.
Wie glaubwürdig die Medizinchecks der Präsidenten sind, ist spätestens seit
Wladimir Putin? Immer topfit
Ganz anders läuft es in Russland. Der Kreml hütet den Gesundheitszustand des russischen Präsidenten wie zu Sowjetzeiten wie ein Staatsgeheimnis. Dass Kremlchef
Dabei gilt in Russland die Devise, dass der Präsident nicht sich selbst gehört: Gerade weil in einer Autokratie wie Russland alle wichtigen Entscheidungen von einem Menschen getroffen werden, träfe eine Krankheit des Präsidenten das Land bis ins Mark.
Wohl auch deshalb gab es 2012 einigen Wirbel: Wegen einer monatelangen Reisepause gab es Spekulationen über Russlands "Rückgrat Nummer eins", weil sich Putin vom türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in den Sessel helfen liess. Auch bei einem Besuch von Angela Merkel in Moskau empfing er die Kanzlerin sitzend. Deutlicher, als dass Putin eine ältere Sportverletzung plagen könnte, wurde Kremlsprecher Dmitri Peskow damals nicht. Hartnäckig hielten sich aber Gerüchte, der Tierschützer Putin habe sich bei einem Flug in einem Spezialgerät zusammen mit seltenen sibirischen Kranichen eine Rückenverletzung zugezogen.
Ein Schlaganfall - und keine offizielle Information
In der arabischen Welt ist die Gesundheit der Staats- und Regierungschefs ebenfalls ein grosses Tabu - und doch ein grosses Thema, weil viele Politiker in hohem Alter sind. Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika (82) sass seit einem Schlaganfall 2003 im Rollstuhl und trat kaum noch öffentlich in Erscheinung. Algerische Karikaturisten stellten ihn oft als Gespenst dar. Immer wieder flog er zu Behandlungen in die Schweiz. Offizielle Informationen gab es dazu fast nie.
Wenn es doch einmal Informationen gibt, schürt das gleich Gerüchte. Erst vor zwei Wochen teilte das tunesische Präsidialamt mit, dass der 92 Jahre alte Präsident Beji Caid Essebsi ins Krankenhaus gebracht werden musste. Sofort kursierten wilde Gerüchte, die den Präsidenten schon für tot erklärten. Erst spät gab es ein Foto des Präsidialamtes, das den Staatschef im Kreis der Ärzte zeigte - und bis heute keine Erklärung für den Krankenhausaufenthalt.
"Päpste sind nicht krank"
Im Vatikan gilt eine ganz radikale Devise: "Päpste sind nicht krank, Päpste sterben." Im Klartext: Über die Gesundheit des Kirchenführers wird zu Lebzeiten nicht gesprochen, bekannt gegeben wird erst der Tod. Im Fall des an Parkinson erkrankten Papstes Johannes Paul II. klang der erste Hinweis darauf recht umwölkt: Der damalige Papst-Sprecher Joaquín Navarro-Valls sprach damals von einer "Krankheit extra-pyramidalen Ursprungs". Und doch war diese Offenheit für manche Kirchenobere ein "Skandal". Zuletzt musste der Sprecher über den Todeskampf Johannes Pauls berichten - und er tat dies fast minuziös. (best/dpa)
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