Dass sich der Bundespräsident zweimal innerhalb von gut 24 Stunden zu einem tagesaktuellen Vorgang äussert, ist ungewöhnlich. Das zeigt, für wie gravierend er die Vorfälle am Reichstagsgebäude bei den Berliner Corona-Demonstrationen hält. Demonstrativ spricht er mit Polizisten.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der Polizei für ihren Einsatz bei den teils gewaltsamen Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen in Berlin gedankt. Nach einem Treffen mit sechs Beamten im Schloss Bellevue rief Steinmeier am Montag zugleich alle Bürger zum engagierten Einsatz für die Demokratie auf.

Zudem warnte er Kritiker und Gegner der staatlichen Corona-Massnahmen davor, sich bei Demonstrationen "vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen zu lassen".

Die vielen Tausend Polizistinnen und Polizisten hätten am Samstag "unter hohem persönlichem Risiko mit grosser Professionalität Recht und Gesetz verteidigt", sagte Steinmeier. Sie hätten dafür gesorgt, dass Zehntausende Menschen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben konnten.

"Wirksam und beherzt, aber ebenso massvoll und angemessen haben Sie gezeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert."

Polizisten wünschen sich mehr Akzeptanz in der Gesellschaft

Steinmeier hatte sich zuvor eine knappe Stunde lang mit einer Polizistin und fünf Polizisten - stellvertretend für alle Einsatzkräfte - unterhalten. Er liess sich über ihre Erfahrungen bei den Demonstrationen am Samstag informieren.

Unter ihnen waren auch jene drei Polizisten, die in einem vielfach geteilten Video zu sehen sind, wie sie sich auf den Stufen des Reichstagsgebäudes anstürmenden Demonstranten in den Weg stellten. Laut Bundespräsidialamt äusserten die Beamten in dem Gespräch unter anderem den Wunsch, von der Gesellschaft mehr Akzeptanz zu erhalten.

Nach Polizeiangaben hatten am Samstagabend etwa 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich lautstark vor dem verglasten Besuchereingang aufgebaut. Nach einer Weile bekamen die Polizisten Verstärkung, und die Beamten drängten die Menschen auch mit Pfefferspray zurück.

Zuvor hatten nach Schätzungen der Polizei knapp 40.000 Menschen aus ganz Deutschland weitgehend friedlich auf der Strasse des 17. Juni gegen die Corona-Politik demonstriert. Insgesamt waren laut Polizei noch deutlich mehr Demonstranten bei weiteren Veranstaltungen in der Innenstadt unterwegs.

Am Rande kam es zu Stein- und Flaschenwürfen von "Reichsbürgern" und Rechtsextremisten auf Polizisten.

Steinmeier verurteilt Besetzung der Reichstagstreppe scharf

Die Verteidigung der freiheitlichen Demokratie obliege allerdings nicht allein der Polizei, betonte Steinmeier. "Sie ist Aufgabe und Pflicht der gesamten Zivilgesellschaft - und jedes Einzelnen. Aktiv, entschieden und mutig müssen wir gemeinsam den Feinden unserer Demokratie die Stirn bieten.

Der Bundespräsident sagte, jeder könne und dürfe gegen die Corona-Massnahmen demonstrieren. Aber: "Wer auf den Strassen den Schulterschluss mit Rechtsextremisten sucht, aber auch wer nur gleichgültig neben Neonazis, Fremdenfeinden und Antisemiten herläuft, wer sich nicht eindeutig und aktiv abgrenzt, macht sich mit ihnen gemein."

Steinmeier verurteilte erneut scharf die Besetzung der Treppe des Reichstagsgebäudes vorwiegend durch rechte Demonstranten. "Reichsflaggen, sogar Reichskriegsflaggen auf den Stufen des frei gewählten deutschen Parlaments, das Herz unserer Demokratie – das ist nicht nur verabscheuungswürdig, sondern angesichts der Geschichte dieses Ortes geradezu unerträglich" sagte er. "Wir dulden keine antidemokratische Hetze und keine Herabwürdigung der Bundesrepublik Deutschland am Bundestag."

Der Rechtsextremismus "ist eine ernste Gefahr", betonte der Bundespräsident. "Ihn wirksam zu bekämpfen, seine Umtriebe in den Netzen frühzeitig aufzudecken, ist eine wichtige und andauernde Aufgabe."

Die Sicherheitsbehörden, Polizei wie Verfassungsschutz, müssten daher die notwendige Unterstützung erhalten und gut ausgestattet sein.

Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs gegen Besetzer

Unterdessen ermittelt die Polizei wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch gegen die Besetzer. Das teilte ein Sprecher am Montag mit.

Möglicherweise könnten noch weitere Delikte dazukommen. Das müssten die Untersuchungen ergeben. Ob die Demonstranten versucht hätten, mit Gewalt in den Reichstag einzudringen oder das Gebäude zu beschädigen, sei noch nicht bekannt.

Auch gegen die Frau, die auf der Bühne einer Reichsbürger-Demonstration direkt vor dem Reichstag zum Sturm auf das Gebäude aufgerufen habe, laufen demnach Ermittlungen. Die Identität der Frau sei der Polizei bekannt.

Nach einem Bericht des "Tagesspiegel" handelt es sich um eine bekannte Vertreterin der Reichsbürgerszene, die aus der Eifel stammt, als esoterische Heilpraktikerin arbeitet und schon oft bei Demonstrationen öffentlich auftrat. (dpa/afp/thp/ank)

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