Im Zuge schwerer diplomatischer Verstimmungen zwischen Armenien und Belarus haben die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken ihre Botschafter im jeweils anderen Land zu Beratungen in die Heimat abberufen. "Angesichts der Lageentwicklung wird unser Botschafter in Eriwan in Kürze nach Minsk kommen", sagte der Sprecher des belarussischen Aussenministeriums, Anatoli Glas, der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge am Donnerstag.

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Auslöser der Verstimmungen ist nach armenischer Lesart, dass der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Aserbaidschan im Konflikt um Bergkarabach unterstützt haben soll.

Lukaschenko hatte bei Gesprächen mit Aserbaidschans Präsidenten Ilham Aliyev über ein Treffen der beiden schon vor dem Krieg um Bergkarabach erzählt. "Damals haben wir philosophisch beim Mittagessen darüber geredet und sind zum Schluss gekommen, dass dieser Krieg gewonnen werden kann." Es sei nötig, diesen Sieg nun auch zu behalten, sagte Lukaschenko. Er sprach in dem Zusammenhang von einem Befreiungskrieg.

Der Konflikt um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan dauert seit Jahrzehnten. In den 1990er Jahren sagte sich die mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnte Region in einem blutigen Bürgerkrieg von Baku los. Dem hochgerüsteten ölreichen Aserbaidschan gelang 30 Jahre später die Revanche. In zwei Etappen eroberten seine Truppen 2020 und 2023 Bergkarabach. Rund 100 000 Armenier mussten fliehen.

Armenien selbst wird wegen der militärischen Niederlage von einer tiefen politischen Krise erschüttert. Seit Monaten demonstrieren Menschen gegen Regierungschef Nikol Paschinjan, den sie für den Verlust Bergkarabachs und eine angeblich zu weiche Position gegenüber Aserbaidschan bei anderen Gebietsstreitigkeiten verantwortlich machen. Erst am Mittwoch gab es bei Protesten Dutzende Verletzte und rund 100 Festnahmen.

Paschinjan wiederum schob die Schuld auf das von Russland geführte Militärbündnis OVKS, dem auch Belarus und Armenien angehören. Einige Mitglieder des Blocks hätten statt Armenien zu helfen Aserbaidschan bei den Kriegsplanungen unterstützt. Später konkretisierte er die Vorwürfe bezüglich Lukaschenkos. Solange dieser Staatschef sei, werde er Belarus nicht mehr besuchen werde, sagte er zudem. Lukaschenko, seit 30 Jahren an der Macht, gilt als engster Partner von Kremlchef Wladimir Putin. Auch mit Russland kriseln die Beziehungen, da Paschinjan mit Armenien nach Westen strebt.   © dpa

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