Der Tesla-Gründer liefert sich seit Monaten einen hitzigen Streit mit dem Richter Alexandre de Moraes in den sozialen Medien. Nun hat das oberste Gericht in Brasilien dessen Entscheidung, die Plattform X zu sperren, bestätigt.
"Sie schliessen die wichtigste Quelle der Wahrheit in Brasilien", erklärte der derzeit reichste Mann der Welt, Elon Musk, am 30. August auf X (vormals Twitter). Gemeint ist damit, dass das soziale Netzwerk X, das der Milliardär 2022 damals noch als Twitter gekauft hatte, jetzt in Brasilien gesperrt ist. Das oberste Gericht des Landes bestätigte diese Entscheidung des Richters Alexandre de Moraes diese Woche.
Damit verliert das soziale Netzwerk den Zugang zu einem der wichtigsten Märkte der Welt. Brasilien soll laut Angaben des Marktforschers Emarketer allein für rund acht Prozent der monatlichen Nutzer bei X verantwortlich sein. Profiteure sollen Konkurrenten wie Metas Threads oder Bluesky sein. Vorangegangen war ein monatelanger Streit zwischen
Privatfehde zwischen Musk und brasilianischem Richter?
Der Tech-Milliardär hatte sich in Musk-Manier über den brasilianischen Richter Alexandre de Moraes lustig gemacht, ihn als "Verbrecher" und "Diktator" bezeichnet und erklärt, dass er dem Harry Potter-Bösewicht Voldemort ähnele. Doch was wie der kindische Streit zweier mittelalter Männer wirkt, hat in der Tat einen ernsten Hintergrund.
Nach dem Regierungswechsel in Brasilien 2023 hatten viele Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro die Wahl des Nachfolgers Lula Da Silva nicht anerkannt und im Januar 2023 einen Putschversuch gestartet. Wie in den USA nach der Abwahl von
Verfahren gegen Musk
Die brasilianische Justiz war dagegen vorgegangen und hatte die Betreiber sozialer Netzwerke aufgefordert zu kooperieren. Dem waren die meisten Betreiber nachgekommen und hatten sich verpflichtet, extremistische und gewalttätige Inhalte zu blockieren. Lediglich X entzog sich der Anordnung, woraufhin Richter de Moraes im April dieses Jahres Ermittlungen gegen Elon Musk einleitete.
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X schloss hierauf die Vertretung in Brasilien, angeblich aus Angst um die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter. In Brasilien ist es rechtlich vorgeschrieben, dass Online-Anbieter eine Dependenz in dem Land haben, ansonsten dürfen sie dort nicht geschäftstätig werden. De Moraes setzte eine 24-Stunden-Frist, innerhalb der X einen Rechtsvertreter in Brasilien benennen müsse. Als diese verstrichen war, wurde der Nachrichtendienst in dem Land abgeschaltet.
Entscheidung spaltet das Land
De Moraes' Entscheidung wird in Brasilien durchaus kontrovers diskutiert. Der amtierende Präsident Lula verteidigte de Moraes und erklärte bei CNN: "Das brasilianische Rechtssystem hat ein wichtiges Signal geschickt (…) Die Welt ist nicht gezwungen, Musks extrem rechte 'Anything goes'-Agenda zu dulden, nur weil er reich ist."
Die Anhänger von Ex-Präsident Bolsonaro sehen hingegen den Tatbestand der Zensur erfüllt. Der rechte Abgeordnete Nikolas Ferreira erklärte bei X: "Die Tyrannen versuchten uns zum Schweigen zu bringen." Er erklärte, dass das Verbot von X letztlich nur dazu diene, die Freiheit einzuschränken.
Kulturkampf zwischen politischen Lagern
Ganz unberechtigt ist die Kritik an der Justiz nicht: In Brasilien steht Richter De Moraes bereits seit Längerem in der Kritik, besonders autoritär durchzugreifen. Längst sind die Fronten hier verhärtet. Der brasilianische Politologe Mauricio Santoro berichtet gegenüber der ARD von einem Lagerdenken im Land. Raum für konstruktive Diskussionen gebe es kaum noch, dafür viel Schwarz-Weiss-Denken. "Es ist kaum mehr möglich, den Fall nüchtern zu betrachten, es werden sehr unruhige Zeiten kommen", so Santoro.
Verfahren gegen X in der EU
Auch in der EU laufen Verfahren gegen X. Gemäss den Bestimmungen des Digital Service Act (DSA) sind Plattformen dazu verpflichtet, effektiv gegen Hassbotschaften und Fehlinformationen vorzugehen. Bei Nichteinhaltung droht die EU mit einer Geldstrafe von bis zu sechs Prozent des globalen Jahresumsatzes des Unternehmens. Im Extremfall kann die Plattform in Europa gesperrt werden.
In den laufenden Verfahren untersucht die EU unter anderem, ob die Moderationssysteme von X versagen. Illegale Inhalte wie Hassreden oder falsche Informationen müssen, nachdem sie gemeldet wurden, schnellstmöglich entfernt werden. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verzeichnete die EU-Kommission einen erheblichen Anstieg an illegalen und hetzerischen Beiträgen.
Sperrung von X in Brasilien möglicherweise erst der Anfang
Ausserdem wird moniert, dass die blauen Haken, die zuvor nur für verifizierte Accounts vergeben wurden, nun kostenpflichtig und für jeden zugänglich sind. Durch den Haken werde suggeriert, dass es sich um eine besonders vertrauenswürdige Quelle handle, was nach Musks Änderungen jetzt nicht mehr der Fall sein muss.
Es kann also gut sein, dass der Streit mit der brasilianischen Justiz erst der Anfang war und den reichsten Mann der Welt noch weitere Auseinandersetzungen erwarten. Auch in Brasilien geht der Streit weiter: Nachdem X Zahlungsforderungen der brasilianischen Justiz nicht nachgekommen war, droht diese inzwischen auch Starlink, ein Tochterunternehmen von Musks Raumfahrtprogramm SpaceX, in Brasilien zu sperren.
Verwendete Quellen
- X-Beitrag von Elon Musk vom 30. August
- Handelsblatt.com: Brasiliens Präsident Lula wettert gegen X und Elon Musk
- X-Beitrag von Elon Musk vom 3. September
- X-Beitrag von Nikolas Ferreira vom 5. September
- Tagesschau.de: Sperrung von X in Brasilien bestätigt
- Handelsblatt.com: EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Elon Musks Plattform X
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