• Die Erdgas-Pipeline zwischen Russland und Greifswald war von Anfang an umstritten, aus politischen wie aus Umweltgründen.
  • Mecklenburg-Vorpommern hat nun eine Stiftung gegründet, die beteiligte Firmen vor amerikanischen Sanktionen schützen soll.
  • An seinem letzten Amtstag als Präsident hat Donald Trump Sanktionen gegen das Rohrverlegeschiff veranlasst. Ist das Projekt noch zu retten oder wird es von Gerichten gestoppt?

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Die Ziele des Pipeline-Projekts Nord Stream reichen weit über die Grenzen von Mecklenburg-Vorpommern und auch über die von Deutschland hinaus. Es soll russisches Erdgas "in den europäischen Binnenmarkt transportieren". Nord Stream 1, 2011 fertiggestellt, liefert jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas und ist bereits an seine Kapazitätsgrenzen gelangt.

Die Nord Stream AG, die Nord Stream 1 betreibt, gehören zu 51% dem russischen Energiekonzern Gazprom. Aber auch deutsche und weitere europäische Energieunternehmen halten Anteile.

Für Nord Stream 2 sollen auf dem Boden der Ostsee weitere 200.000 betonummantelte Stahlrohre mit einer Gesamtlänge von 1.230 Kilometern verleget werden. Nach Betreiberangaben sind 94% davon fertiggestellt, er fehlen unter anderem noch 30 km in deutschen Gewässern. Nord Stream 2 - alleiniger Anteilseigner ist hier Gazprom - würde die bisherige Lieferkapazität verdoppeln.

Vorhaben Mecklenburg-Vorpommerns mit geopolitischer Brisanz

Doch derzeit wird nur schleppend weitergebaut. Grund sind amerikanische Sanktionen: Die US-Regierung sieht die Gefahr einer europäischen Abhängigkeit von russischem Erdgas – Europa könne sich erpressbar machen, meinte die Trump-Regierung. Wie sich die Lage unter Joe Bidens Administration weiterentwickeln wird, ist noch offen.

Bekannt ist allerdings, dass auch Biden Stärke gegenüber Russland und Wladimir Putin zeigen will. Die Tatsache, dass die Sanktionen von Demokraten und Republikanern gemeinsam initiiert wurden, lässt ebenfalls wenig Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung der Pipeline-Frage aufkommen.

Deshalb hat es auch geopolitische Brisanz, dass das kleine Bundesland Mecklenburg-Vorpommern den Amerikanern mit einem eigenen Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen will. Unter der Führung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) will die rot-schwarze Landesregierung das nach wie vor auch von der Bundesregierung gewollte Projekt retten – mit einer Umweltstiftung.

Die Stiftung, vom Landesparlament mittlerweile vorbehaltlos durchgewunken, soll offiziell vor allem "Umweltprojekte in Mecklenburg-Vorpommern auf den Weg bringen", wie Regierungssprecher Andreas Timm telefonisch recht pauschal erklärt. Doch der Antrag der Landesregierung sieht einen weiteren Zweck vor: Die "Gründung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (...) mit dem Ziel, einen Beitrag zum Fortgang der Arbeiten an der Pipeline Nord Stream 2 zu leisten".

Gazprom hat das Sagen, Schröder macht Lobbyarbeit

"Ein durchsichtiges Manöver!", empört sich die grüne Bundestagsabgeordnete Claudia Müller. Die Stiftung sei eine "Mogelpackung", der Umweltschutz nur ein "vorgeblicher Zweck". Müller weist auf einen Passus in der Stiftungssatzung hin, nach welchem der Geschäftsbetrieb des Pipeline-Projektes in ihren Augen "komplett von Gazprom bestimmt" werde. In der Tat heisst es dort in §5 Absatz 2, der Geschäftsführer werde "auf Vorschlag der Nord Stream 2 AG" berufen – die sich im Besitz von Gazprom befindet.

Hier kommt ein prominenter Förderer des Projektes ins Spiel: Altkanzler Gerhard Schröder soll an der Stif­tungs­grün­dung beteiligt sein. Das liegt nahe, denn Schröder ist Präsident des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG und damit Vertreter der Gazprom.

Er hält enge Verbindung zu Schwesigs Regierung, seine gleichzeitige Nähe zu Putins Politik hatte zuletzt in Zusammenhang mit dem Giftanschlag auf Alexej Nawalny für Empörung gesorgt. Der Kremlkritiker hatte Schröder als "Laufbusche Putins" bezeichnet.

Versicherer und Zertifizierer springen ab

Die deutsche Russland-Politik und Schröders Lobbyarbeit für Russland sind nur zwei der Aspekte, die Schwesigs Stiftung gefährlich werden können. Um weiteren politischen Druck aufzubauen, hatte Donald Trump die US-Sanktionen an seinem letzten Amtstag verschärft: sie betreffen nun auch das Verlegeschiff "Fortuna".

Das Spezialschiff nahm zwar trotz dieser Drohung am Montag in dänischen Gewässern seine Arbeit auf. Doch anderen Sanktionsmassnahmen haben Auswirkungen: So hat der Schweizer Finanzdienstleister Zurich Insurance Group aufgrund der amerikanischen Sanktionen seinen Ausstieg aus dem Projekt bestätigt und wird es nicht mehr versichern. Auch der norwegische Zertifizierer DNV GL hat seine Zusammenarbeit mit Nord Stream 2 beendet – ohne Zertifizierung erhält die Pipeline keine Zulassung.

Diese Zuspitzung der Situation bestärkt die Kritiker. "Die Stiftung kann den Bau nicht sicherstellen", diagnostiziert Claudia Müller kühl. Aus Sicht der Grünen ist das kein Schaden – sie halten die Stiftung für überflüssig. Auch im Rahmen des Baus von Nord Stream 1 waren in Mecklenburg-Vorpommern zwei Umweltstiftungen gegründet worden.

Sie dienen dem Ausgleich von Umweltbeeinträchtigungen durch die Pipeline, wurden in Zusammenarbeit mit Umweltverbänden konzipiert. Anderes die neue Stiftung: Mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) und dem World Wildlife Fund (WWF) haben die wichtigsten Umweltverbände bereits jede Zusammenarbeit mit der neuen Stiftung abgelehnt.

Auch die Organisation "Friday for Future" mobilisiert gegen die Stiftung. Die Umweltschützer lehnen Investitionen im Bereich Erdgas ab, weil das vom Ziel wegführe, auf fossile Energieträger zu verzichten.

Und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will Schwesigs Projekt von Gerichten stoppen lassen. "Wir klagen das durch", sagte ihr Geschäftsführer dem NDR. Die Stiftung sei eine "Tarnveranstaltung" der "Gas-Lobby". Mit gerichtlich durchgesetzten Fahrverboten in vielen Städten hatte sich die DUH schon in den verangenen Jahren einen Namen gemacht.

Verwendete Quellen:

  • Twitter-Account von Manuela Schwesig
  • Gespräche mit Claudia Müller, Bündnis90/Die Grünen sowie Andreas Timm, Regierungssprecher Mecklenburg-Vorpommern
  • Antrag der Landesregierung: Zustimmung des Landtages gemäss § 63 Absatz 1 LHO, hier: Errichtung der "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV", Drucksache 7/5696, 6.1.2021 (mit der "Satzung der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV").
  • NABU Mecklenburg-Vorpommern: Keine Mitarbeit bei Mogelpackung.
  • Land will "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" auf den Weg bringen – Pressemitteilung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern vom 6.1.2021
  • Nord Stream 2 AG: Zahlen und Fakten zu Nord Stream 2
  • Webseite des Naturschutzbundes Mecklenburg-Vorpommern
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