Von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist man provokative Plakate gewohnt. Doch bei der "Selbstbestimmungs-Initiative" überrascht sie mit einer braven und nüchternen Kampagne. Dieses Mal sind es die Gegner, die zu populistischen Bildern greifen.

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Die Kampagne für die Abstimmung vom 25. November über die "Selbstbestimmungs-Initiative" ist ungewöhnlich: Die Schweizerische Volkspartei (SVP) bewirbt ihre Initiative mit nüchternen Plakaten, die im Gegensatz stehen zu den normalerweise provokativen Bildern der rechtskonservativen Partei.

Eine Person hält ein Schild mit einem einfachen "Ja" in die Höhe, ein Ja zur "direkten Demokratie" und zur "Selbstbestimmung", alles vor einem gelben Hintergrund. Keine schwarzen Schafe, keine frechen Slogans, keine starken symbolischen Bilder, nicht einmal das SVP-Logo ist darauf zu finden.

Der Politologe Georg Lutz von der Universität Lausanne sagt, er sei selbst überrascht gewesen von dieser braven Darstellung. "Seit die SVP 2016 die Durchsetzungs-Initiative verlor, hat sie festgestellt, dass ihre provokativen Bilder nicht in der Lage sind, über ihre Basis hinaus zu mobilisieren. Indem sie sich insbesondere auf die direkte Demokratie bezieht, ein Thema, mit dem alle einverstanden sind, hat diese Kampagne das Potenzial, moderate Wähler der Mitte zu erreichen", analysiert er.

Die Gegner der Initiative haben dagegen schwere Artillerie aufgefahren, um die Initiative der SVP zu bekämpfen. Ihre Kampagnen basieren auf starken Symbolen und spielen mit Emotionen.

Die Allianz der Zivilgesellschaft beispielsweise nutzt das Symbol des trojanischen Pferdes und behauptet, bei einem Ja zur Initiative würde ein Trojaner in die Bundesverfassung geschleust, der Tür und Tor für Willkür und Diskriminierung öffne. Die Allianz, die aus 120 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) besteht, produzierte auch einen satirischen Videoclip. Darin sieht man Vertreter und Vertreterinnen der SVP in antiken Rüstungen im Innern eines trojanischen Pferdes, die einen Putsch planen.

Die NGO Amnesty International Schweiz hat eine eigene Kampagne gestartet, um die Bürgerinnen und Bürger zu einem "Nein" an der Urne zu motivieren. Sie nennt den Text der SVP "Anti-Menschenrechtsinitiative" und verwendet das Symbol des "Superman".

Die Kampagne "Schutzfaktor M" behauptet, die Initiative bezwecke eine Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Um die Wichtigkeit der Menschenrechte aufzuzeigen, veranstaltete sie eine Porträtausstellung mit Fotos von Personen, deren Grundrechte von der Schweiz verletzt wurden und die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erfolgreich Beschwerde geführt haben.

Die Sozialdemokratische Partei (SP, links) vergleicht mit ihrem Plakat die Initiative der SVP mit der isolationistischen Politik von Donald Trump in den Vereinigten Staaten sowie dem Autoritarismus von Wladimir Putin in Russland und von Recep Tayyip Erdogan in der Türkei.

Die Wirtschaftskreise, die wegen ihrer mangelnden Präsenz in der Kampagne gegen die "Masseneinwanderungs-Initiative" heftig kritisiert worden sind, scheinen die Lehren daraus gezogen zu haben. Mit einer spektakulären Aktion will der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zeigen, dass die Annahme der Initiative viele wichtige internationale Verträge und Wirtschaftsabkommen der Schweiz in Frage stellen und damit die Wirtschaft treffen würde. Der Verband stellte Schiffscontainer auf den Bundesplatz, mit der Aufschrift: "So viel exportiert die Schweiz in 10 Minuten."

Kontraproduktiv?

Laut Lutz haben sich die Gegner der "Selbstbestimmungs-Initiative" auf den für gewöhnlich offensiven Stil der SVP vorbereitet. "Die Ablehnung der Durchsetzungs-Initiative hat ihnen gezeigt, dass eine klare und direkte Gegenkampagne die SVP zu Fall brachte", sagt er.

Wird sich die Diskrepanz zwischen der nüchternen SVP-Kampagne und der populistischen Gegenkampagne als kontraproduktiv für die Gegner erweisen? "Es ist zu früh, um das zu sagen", antwortet Lutz.  © swissinfo.ch

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