Eine Einigung gibt es nicht: Beim Syrien-Gipfel in Teheran können sich Wladimir Putin, Hassan Ruhani und Recep Tayyip Erdogan nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen in Idlib durchringen. Der Westen befürchtet ein Blutvergiessen.
Russland, die Türkei und der Iran haben sich bei einem Gipfel in Teheran nicht auf ein gemeinsames Vorgehen zur bevorstehenden Offensive der syrischen Regierung auf die Rebellen in Idlib geeinigt.
Die Türkei konnte Russland und den Iran als Verbündete Syriens nicht von einer Waffenruhe in der Provinz überzeugen. Damit scheint nun zumindest für eine begrenzte Offensive gegen Idlib der Weg frei zu sein. Die könnte neben den Rebellen auch rund drei Millionen Zivilisten treffen.
Viele europäische Staaten, die USA und die UN hatten vor dem Gipfel eindringlich vor einer humanitären Katastrophe gewarnt, sollte Syrien den Plan durchziehen.
Am Ende steht ein vages Versprechen
In einer am Freitag in Teheran veröffentlichten Erklärung der Präsidenten Recep Tayyip Erdogan,
Man wolle gemeinsam die Operationen gegen Terroristen fortsetzen, die mit Al-Kaida oder der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verbunden seien. Im Kampf gegen den Terror solle jedoch zwischen Extremisten und anderen Oppositionsgruppen unterschieden werden.
Der iranische Präsident Ruhani sagte nach dem Treffen, man wolle "die Terroristen zunächst ermuntern ihre Waffen umgehend niederzulegen und ihren bewaffneten Kampf gegen die syrische Regierung aufzugeben".
Erdogan pocht auf Waffenruhe
Aber Rebellenführer hatten schon angekündigt, bis auf den Tod kämpfen zu wollen. In Idlib halten sich Zehntausende Rebellen auf, die dominiert werden von dem Al-Kaida-Ableger Haiat Tahrir al-Scham, der früheren Al-Nusra-Front.
Zuvor hatten die drei Präsidenten in einer Art «Blitzgipfel» ihre Stellungnahmen ausgetauscht, ohne dass sie sich erkennbar aufeinander zubewegten. Erdogan pochte mehrfach auf die Festschreibung einer Waffenruhe. Man könne die Menschen von Idlib nicht der Gnade des syrischen Regimes überlassen, sagte er.
Ein Angriff würde in ein Massaker und eine humanitäre Tragödie münden. Die Türkei ist die Schutzmacht der Rebellen und hat in Idlib zwölf Beobachtungsposten, die die Einhaltung eines Deeskalationsabkommen sichern sollen.
Kampf gegen Terroristen soll weitergehen
Die Türkei fürchtet im Fall der Offensive massive Fluchtbewegungen in Richtung Türkei. Sie hätten schon begonnen, warnte Erdogan.
Russland und der Iran wiederum beharrten auf eine Fortsetzung der Kämpfe gegen Terroristen. Ruhani sagte: "Wir wollen Frieden, aber manchmal muss auch für den Frieden gekämpft werden." Nach Ansicht Putins sollte die syrische Regierung ihr ganzes Staatsgebiet unter ihre Kontrolle bringen.
"Die rechtmässige syrische Regierung hat das Recht und sollte ihr ganzes nationales Territorium kontrollieren", sagte er. Eine Lösung für das Bürgerkriegsland sei nur so möglich.
Kampfjets ruhen nicht
"Die Hauptaufgabe derzeit ist, die Terroristen aus der Provinz Idlib zu verjagen. Ihre Anwesenheit dort bedroht unmittelbar syrische Bürger und die Einwohner der ganzen Region", sagte Putin. Gleichzeitig sind offenbar Verhandlungen zwischen Russland und der Türkei auf militärischer Ebene im Gang.
Nach Angaben des russischen Aussenministeriums stimmten Militärs ihre Strategien für Idlib ab. Es gehe darum, beim Kampf gegen Terroristen die Gefahr für die Zivilbevölkerung so klein wie möglich zu halten, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa am Freitag in Moskau.
Während des Gipfels in Teheran setzten Kampfjets ihre Angriffe auf Idlib fort. Mindestens elf Bombardements der syrischen Regierung und Russlands zählte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Dabei seien ein Hauptquartier der islamistischen Gruppe Ahrar al-Scham zerstört und ein Extremist getötet wurden. Mehrere Zivilisten seien verletzt worden.
Regierung muss Fluchtwege zulassen
Gleichzeitig protestierten in Idlib Tausende Menschen gegen die erwartete Militäroffensive. In der Provinzhauptstadt hüllten sich Demonstranten in Flaggen von Oppositionsgruppen und hielten Banner hoch mit Aufschriften wie: "Ich bin ein Bürger Idlibs und ich habe das Recht, in Würde zu leben."
Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von Zehntausenden Protestierenden in der gesamten Provinz sowie in benachbarten Rebellengebieten.
UN-Syrienvermittler Staffan de Mistura, der am Freitag per Videotelefon zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zugeschaltet wurde, forderte, die syrische Regierung müsse Fluchtwege für diejenigen zulassen, die die Stadt freiwillig verlassen wollten. "98,8 Prozent" der Bevölkerung dort seien Zivilisten, darunter Lehrer, Ärzte und Ingenieure. "Idlib steht auf gewisse Weise stellvertretend für das syrische Mosaik", sagte de Mistura.
US-Botschafter: "Drehbuch des Todes"
Der Versuch, Terroristen von Zivilisten zu trennen, sei das "Schlüssel-Dilemma" und gleiche einer «Quadratur des Kreises».
Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley wiederholte die Warnung von US-Präsident Donald Trump, dass ein Angriff auf die Rebellenhochburg "verheerende Konsequenzen" haben würde. "Wir drängen Russland, seine Möglichkeiten sorgfältig zu prüfen", sagte Haley.
Das von Russland gestützte Vorgehen der syrischen Regierung sei ein "Drehbuch des Todes". Die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens ist das letzte grosse Gebiet des Bürgerkriegslandes, das noch von Rebellen beherrscht wird. Der nächste Syrien-Gipfel soll laut Ruhani in Russland stattfinden, das genaue Datum werde noch bekanntgegeben.
(ank/br/dpa)
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