Nach dem Massaker in einer pakistanischen Schule durch die Taliban hat das Militär Vergeltung angekündigt. Doch die Terroristen sind kein leichter Gegner. Kann die Eskalation der Gewalt noch gestoppt werden?

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Pakistan trauert um mehr als 140 Menschen, die bei einer Attacke der Taliban auf eine Schule getötet wurden. Die meisten davon waren Kinder. Sie hatten keine Chance, als die bewaffneten Männer das Schul-Gelände in Peschawar stürmten. Noch während getrauert wird, hat der Armeechef des Landes bereits Vergeltung angekündigt. Man werde gegen die militanten Islamisten "bis zur vollständigen Eliminierung" vorgehen, sagte Raheel Sharif. Die Luftwaffe soll bereits mehrere Angriffe gegen Stellungen der Taliban geflogen sein.
Die Islamisten hatten das Massaker zuvor als Racheakt verteidigt. Die vom Militär betriebene Schule sei zum Ziel geworden, "weil sie auch unsere Familien angreifen. Wir wollen, dass sie den Schmerz fühlen, den wir fühlen", sagte ein Sprecher der Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP).

Rache hier, Vergeltung dort – der Angriff auf die Schule ist vorerst der traurige Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen dem pakistanischen Staat und verschiedenen islamistischen Gruppen, die sich seit 2007 unter dem Dach der TTP vereint haben. Die Taliban lehnen den Staat als unislamisch ab und wollen seinen Einfluss im Westen des Landes weiterhin klein halten, wo vor allem Stammesführer das Sagen haben.

Im Laufe dieses Jahres hatte sich dieser Konflikt verschärft. Von einer "Eskalationsspirale" spricht der Berliner Politikwissenschaftler Florian Kühn. Lange scheute sich die Regierung vor einer Auseinandersetzung mit der TTP, die afghanischen Taliban wurden sogar von ihr unterstützt. Doch die seit Januar angestrebten Verhandlungen mit der TTP kamen nicht in Gang, da sie ihre Anschläge fortsetzen. Laut einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) entstand "erstmals eine Allianz zwischen den grossen Parteien, der Armee und Teilen der religiösen Führer, die sich klar gegen die Taliban und ihre Ideologie ausspricht". Nach dem Terrorangriff auf den Flughafen Karachi reagierte Pakistan schliesslich mit einer grossen Militäroffensive in Waziristan, dem Rückzugsgebiet der Taliban, bei dem mehrere Hundert ihrer Kämpfer getötet worden sein sollen.

Hinzu kommen die US-Drohnenangriffe, die bereits zwei TTP-Anführer ausgeschaltet haben. "Da sie militärisch nicht dagegenhalten können, verüben sie solche Anschläge", sagt Politikwissenschaftler Kühn. Aber ein Angriff auf Kinder? In der Logik der Taliban war die vom Militär – also vom Feind – betriebene Schule, die Bildung fördert und damit die reine islamische Lehre untergräbt, ein legitimes Ziel. Dass sie vor Kindern nicht haltmachen, bewiesen die Taliban schon mit dem Anschlag auf Malala Yousafzai, die sich für das Recht auf Bildung stark macht.

Vieles spricht dafür, dass eine weitere Eskalation droht. Die Taliban fühlen sich offenbar in die Enge getrieben. Dazu kommt die "Konkurrenz" durch den sogenannten Islamischen Staat, der mit seinem grausamen Vorgehen neue Massstäbe des Grauens gesetzt hat im Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit. Die Äusserungen des pakistanischen Armeechefs deuten an, dass das Land weiter auf die militärische Karte setzen wird.
Eine friedliche, das heisst politische Lösung durch Verhandlungen war zuvor schon gescheitert. Erschwerend kommt hinzu, dass die TTP untereinander zerstritten ist und die verschiedenen Gruppen unterschiedliche Ansichten über den künftigen Kurs haben. Ein militärisches Vorgehen allein wird allerdings kaum ausreichen.

"Die militärische Kampagne mag kurzfristig Erfolge bringen", schreibt Pakistan-Experte Christian Wagner in der SWP-Analyse. "Sie ist jedoch kein Ersatz für eine politische Lösung des Konflikts in den Stammesgebieten, will man Gruppen wie TTP dauerhaft die Basis entziehen." Militärische Erfolge würden nicht verhindern, dass sich einzelne militante Gruppen immer wieder neu organisieren. Stattdessen sollten laut Wagner die staatlichen Institutionen in den Stammesgebieten Pakistans gestärkt werden, um zu verhindern, dass staatsfreie Räume entstehen, in denen terroristische Gruppen gedeihen können.

Statt neuer Vergeltung wäre mehr Gestaltung der Regierung gefragt.

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